Analyse Macrons Einsatz für die künstliche Befruchtung

Paris · Es ist die Einlösung eines Versprechens von Emmanuel Macron: Die künstliche Befruchtung für alle Frauen. Damit hat Frankreichs Präsident eine Gesetzesreform mit großer gesellschaftlicher Bedeutung auf den Weg gebracht.

Die französische Nationalversammlung hatte Ende September einen entsprechenden Artikel gebilligt. Bisher ist die künstliche Befruchtung nur heterosexuellen Paaren erlaubt, die keine Kinder zeugen können. Sie müssen verheiratet sein oder mindestens zwei Jahre zusammenleben. Gesundheitsministerin Agnès Buzyn strebt eine endgültige Umsetzung des Gesetzes bis zum kommenden Sommer an.

Am Sonntag protestierten in Paris  mehrere Tausend Menschen gegen die geplante Reform „medizinisch assistierte Befruchtung für alle Frauen“, also auch für lesbische Paare und Alleinstehende. Selbst in Macrons eigener Partei regt sich Widerstand dagegen. So hat sich etwa Agnès Till, Abgeordnete der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM), vehement gegen das neue Bioethikgesetz ausgesprochen – wofür sie aus den Reihen der LREM ausgeschlossen wurde. Wie die meisten ihrer Mitstreiter befürchtet sie, dass durch die neuen Regelungen weitere Schranken fallen könnten. So könnten etwa männliche Paare auf Gleichstellung pochen, und es könnte Leihmutterschaft genehmigt werden.

Hinter der Demo in Paris standen  zwar mehrere Organisatoren, treibende Kraft war allerdings die Organisation „Manif pour tous“ (Demo für alle), ein Zusammenschluss von zumeist konservativen Katholiken. Deren Mitglieder hoffen beim aktuellen Kampf gegen das neue Bioethikgesetz auf einen ähnlichen durchschlagenden Erfolg wie bei ihrem Protest vor sieben Jahren gegen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Damals war es den Verantwortlichen gelungen, sehr viele katholische Laien, Bischöfe und Priester für ihre Sache zu gewinnen. Die Bewegung entwickelte eine überraschende Eigendynamik, der Protest gegen die Familienpolitik der Regierung vermischte sich mit einer allgemeinen Abneigung gegen die Politik des damaligen Präsidenten François Hollande.

Doch dieses Mal ist die Front geschrumpft. Selbst die katholische Kirche, beim Protest gegen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in ihrer Empörung noch geeint, zögert im Fall des neuen Bioethikgesetzes. Natürlich sind ihre Vertreter gegen die künstliche Befruchtung. Die Kirchenvertreter weisen allerdings immer wieder darauf hin, dass sie ihre Bedenken auf den im Sommer landesweit organisierten Diskussionen zur Revision des Gesetzes einbringen konnten.

Das deutlich gesunkene Interesse der Menschen daran, gegen das neue Gesetz auf die Straße zu gehen, liegt auch daran, dass sich die Einstellung in der französischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren deutlich verändert hat. Künstliche Befruchtung gilt heute bei heterosexuellen Paaren nicht mehr als verwerflich. Knapp drei Prozent der Kinder werden nach Angaben der Agentur für Biomedizin heute in Frankreich auf diese Weise gezeugt. Und auch die Einstellung der Franzosen zur gleichgeschlechtlichen Ehe hat sich nach deren Einführung deutlich entspannt. Das Ergebnis des Umfrageinstitutes Ifop besagt, dass deutlich über 60 Prozent der Befragten dafür sind, lesbischen Paaren und alleinstehenden Frauen künstliche Befruchtung zuzugestehen. Bei einer Untersuchung im Jahr 1999 seien es nur 24 Prozent gewesen.

In Deutschland ist die künstliche Befruchtung theoretisch allen Frauen erlaubt – in der Realität ist es für viele allerdings schwierig. Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten in der Regel nur, wenn das Paar auch verheiratet ist und Ei- und Samenzellen des Partners verwendet werden. Außerdem müssen bestimmte Altersvoraussetzungen erfüllt werden.

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