Luxus ohne Leistung

Das gestrige Verfassungsgerichtsurteil wirft erneut ein Schlaglicht auf eine Ungerechtigkeit ersten Ranges: Die Ausgestaltung der Erbschaftssteuer. Wenn von Werten im Umfang von rund 240 Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland an die nächste Generation weitergegeben werden, der Staat nur rund 4,6 Milliarden Steuern bekommt, also weniger als zwei Prozent, dann ist diese Steuer falsch konstruiert.

Bei den Betriebsvermögen hat Karlsruhe dies gestern konkret bemängelt. Zwar ist es völlig richtig, dass das Firmenerbe nicht besteuert wird, wenn und solange die Firma weiterläuft. Nur müssen diese Ausnahmen nicht so umfassend und so missbrauchsanfällig sein, wie derzeit. Das Urteil ist eine Ohrfeige für die letzte große Koalition, die das Gesetz 2008 reformierte.

Es ist unverständlich, dass die großen Volksparteien CDU und SPD so gehandelt haben und darüber hinaus eine generelle Debatte über die Erbschaftssteuer immer noch regelrecht tabuisieren. Gerade eine Leistungsgesellschaft wie Deutschland sollte rationaler vorgehen. Sie sollte leistungsloses Einkommen generell stärker und Leistungseinkommen geringer besteuern. Dann müsste zum Beispiel die Zinsabgeltungssteuer angehoben werden. Denn auch Zins- und Aktienerträge sind Einkommen ohne eigene Leistung. Und ganz sicher müsste die Erbschaftssteuer jenseits der Freibeträge, die das Haus und mittlere Vermögen schützen, auf den gleichen Satz wie die Abgeltungssteuer steigen. Denn es geht um den gleichen Sachverhalt. Es bleibt immer noch ein riesiger, steuerfreier Rest. Zugleich könnte die Einkommensteuer, die die Aktiven der Gesellschaft zahlen, kräftig gesenkt werden. Eine solche Umverteilung würde wirtschaftliche Dynamik freisetzen.

Das letzte Hemd hat keine Taschen. Gerade die reichen Verstorbenen haben von der Gesellschaft profitiert, vom Bildungs- und Sozialsystem, von der inneren Sicherheit. Man darf von ihrem Erbe mehr als zwei Prozent nehmen, damit dieses System weitergehen kann. Die These, das Erbe sei bereits besteuert und dürfe deshalb beim Übergang auf die Nachfahren nicht ein zweites Mal herangezogen werden, ist eine Verdrehung. Denn für den, der das Erbe empfängt, ist es unversteuertes Einkommen, das er völlig ohne eigene Leistung und ohne eigenes Risiko erhält. So wie Luxus durch Lottogewinn. Es wird zum gesellschaftlichen Problem, wenn über das Verschenken und Vererben immer größere Anteile des Volksvermögens zu einem "Lottogewinn" umdeklariert werden und sich der Finanzierung des Gemeinwesens entziehen. Und wenn nur eine bestimmte Schicht gewinnen kann, während die andere arbeitet und Geld abdrückt. Die Erbschaftssteuer in Deutschland ist derzeit Lotto nur für Reiche.

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