Loslassen

Abschied und Verzicht standen auf der Hitliste menschlicher Erlebnisse noch nie ganz oben. Aber früher durften die Menschen zumindest weinen oder fluchen.

Und hörten nicht: "Du musst loslassen." Denn wer heute seinen negativen Gefühlen auch nur kurz nachhängt, zeigt damit nach allgemeiner Auffassung einen bedenklichen Mangel an Erleuchtung, Einsicht und guter Laune. Er ist sozusagen ein inkompetenter Abschiednehmer. Richtig geht es angeblich so: Wenn die Jugend vergeht, die Freundin wegzieht oder das Haustier stirbt, reicht ein dreimaliges tiefes Durchatmen. Und die Aufforderung: "Du musst loslassen."

Diese Methode nützt natürlich den Mitmenschen, die dann nicht vollgejammert werden oder Anteilnahme zeigen müssen. Allein, sie funktioniert nicht. Vielleicht weil das, was losgelassen werden soll, schon längst über alle Berge ist. Und deswegen empfiehlt sich die Erleuchtungsstufe zwei: Den Begriff Loslassen . . . mal loslassen.

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