Liebling Guttenberg zwischen Pest und Cholera

Berlin. Bei seinen Kabinettskollegen dürfte sich Karl-Theodor zu Guttenberg gerade wenig Freunde machen. Im letzten Sommer, kurz vor der Sparklausur der Regierung, glänzte der CSU-Minister öffentlich als der Sparwilligste von allen. Über eine Milliarde jährlich wolle er aus dem Wehretat streichen

Berlin. Bei seinen Kabinettskollegen dürfte sich Karl-Theodor zu Guttenberg gerade wenig Freunde machen. Im letzten Sommer, kurz vor der Sparklausur der Regierung, glänzte der CSU-Minister öffentlich als der Sparwilligste von allen. Über eine Milliarde jährlich wolle er aus dem Wehretat streichen. Nun aber, da es ernst wird, gibt der Chefverteidiger der Nation zu, dass das nur ein "Weckruf" gewesen sei, um die Aussetzung der Wehrpflicht durchzusetzen. Er könne das ursprünglich mit dem Finanzminister verabredete Sparziel, 8,4 Milliarden Euro bis 2015, "nicht erreichen", erklärte der CSU-Politiker und verwies auf "politische" Vorgaben zur Größe der künftigen Bundeswehr.Das Argument selbst stimmt. Guttenberg hatte eine Zahl von nur noch 163 000 Soldaten als unterste Grenze vorgesehen. Aber die Parteitage von CSU und CDU verlangten deutlich mehr - 185 000 Soldaten wurden es dann. "Ich habe immer gesagt, dass mehr Soldaten mehr Geld kosten", meinte Guttenberg am Sonntag. In der Koalition biss er damit gestern zunächst auf Granit. CDU-Haushälter Norbert Barthle sagte, die neue Bundeswehr sei noch viel kleiner als die derzeitige mit rund 240 000 Soldaten. Außerdem gelte der als "Goldene Regel" überschriebene Passus im Koalitionsvertrag, wonach jedes Ressort Kosten von Reformen grundsätzlich selbst finanzieren muss. Die Bundeswehr könne unter anderem bei Rüstungsprojekten sparen, vor allem durch die zeitliche Streckung von Bestellungen, schlug Barthle vor.

In den Zahlenwerken von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kommt Guttenberg eine Schlüsselstellung zu, um das große Ziel der Regierung, minus 80 Milliarden Euro Ausgaben bis 2015, einzuhalten. In diesem Jahr muss die Armee nur 500 Millionen Euro "globale Minderausgabe" bringen, 2013 dann eine Milliarde Euro und 2014 drei Milliarden. Auch Kanzlerin Angela Merkel sprang Schäuble bei, wenn auch nur abstrakt: "Das Sparziel steht überhaupt nicht zur Debatte", erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert gestern. Im Gegenzug bedeutet das: Was Guttenberg nicht schafft, müssten die anderen Minister abdrücken. Die finden das gar nicht lustig.

Der CSU-Mann selbst erwartet "muntere Verhandlungen". Es gibt verschiedene Stellschrauben zum Sparen, die für Guttenberg jedoch alle höchst riskant sind. So schlug ihm eine Experten-Kommission im Oktober vor, das Verteidigungsministerium auf 1500 Stellen zu halbieren und den Standort Bonn, derzeit noch der Hauptsitz, aufzugeben. Das würde Nordrhein-Westfalen wegen des Hauptstadtvertrages auf die Palme bringen und auch intern auf Widerstände stoßen. Zweitens könnte er etliche der 390 Kasernen schließen, die wegen der Verkleinerung der Armee künftig nicht mehr gebraucht werden. Viele lokale Aufstände von Bürgermeistern und Unions-Bundestagsabgeordneten sind dann programmiert, auch im heimischen Bayern, wo es besonders viele Standorte gibt. Bis zum Sommer will der Minister hierzu einen Vorschlag machen. Und drittens könnte Guttenberg Rüstungsprojekte streichen, strecken oder stutzen, was freilich die Wehrindustrie, ebenfalls mit starker Basis in Bayern, nicht schick fände.

Deutschlands Lieblingspolitiker steht also gleich mehrfach vor der Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Ärger im Kabinett und sinkender Beliebtheit im Volk. Es sei denn, die Kanzlerin und die anderen Minister haben doch noch ein Erbarmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Die heftigen Äußerungen von Verbraucherministerin Ilse Aigner zur neuerlichen Ausweitung des Dioxin-Skandals bewertet "Bild am Sonntag": Schwer wiegt der Vorwurf von Ministerin Ilse Aigner, sie sei vom Land Niedersachsen hintergangen worden. Eher hilflos
Die heftigen Äußerungen von Verbraucherministerin Ilse Aigner zur neuerlichen Ausweitung des Dioxin-Skandals bewertet "Bild am Sonntag": Schwer wiegt der Vorwurf von Ministerin Ilse Aigner, sie sei vom Land Niedersachsen hintergangen worden. Eher hilflos