Liebling Deutschland

Heinrich Heine würde heute ruhig schlafen. Dieser typisch deutsche Literat, der im französischen Asyl verzweifelt an sein Heimatland dachte, würde im Jahr 2013 große Augen machen: Das Land der Dichter und Denker, Erfinder und Ingenieure ist aus den Wirren seiner turbulenten Geschichte zu, naja: neuer Bedeutung aufgestiegen.

Dabei ist die internationale Um frage der britischen BBC, wonach die Bundesrepublik "das beliebteste Land weltweit" sei, kein solitäres Phänomen. Schon seit einigen Jahren wird Deutschland einig Vaterland in Befragungen zum Top-Favoriten gekürt.

Noch unsere Väter und Mütter hätten sich nicht träumen lassen, dass ausgerechnet "wir", die in einem Jahrhundert gleich zwei Weltkriege anzettelten, uns in so kurzer Zeit zu "Everybody's Darling" entwickeln würden. Aber es ist so, und auch der Skeptiker darf staunen: Die Deutschen haben rund um den Globus ein hervorragendes Image. Bereits 2005 schnitt Deutschland in einer US-Studie als Europas Nr. 1 ab - obwohl damals 41 Prozent der Deutschen selbst meinten, sie seien in der Welt unbeliebt. Stimmt aber nicht. 2008 lag Deutschland in der BBC-Studie schon einmal vorn, seither haben wir eine Art Abo auf den Spitzenplatz. Die Menschen in aller Welt mögen uns offenbar. Mehr jedenfalls als andere Völker.

Aber woran liegt das, was macht uns, um bei dieser Kategorie zu bleiben, "beliebt"? Galten Deutsche nicht immer als (zu) ernst, penibel, großkotzig und kleinkariert, als richtige Korinthenkacker? Haben wir unsere Gesprächs- und Handelspartner nicht stets genervt mit unserer Disziplin, unseren Vorschriften, unseren Marotten? Haben wir nicht alle Strand-Liegen dieser Welt mit unseren Handtüchern zur Verbotszone erklärt? Warum also diese Beliebtheit?

Nun, ein Erklärungsansatz mag sein: Die Deutschen werden bewundert. Weil sie gut sind. Die wirtschaftliche Leistung unserer Hightech-Nation fasziniert Menschen in Asien, Afrika oder Südamerika - jeder Junge irgendwo würde gern BMW oder Mercedes fahren. Japaner und Chinesen lieben Bach und Beethoven, zahlreiche Nationen sind verrückt nach deutscher Kultur. Der Export-Weltmeister Deutschland ist auch mit seinen Bürgern global präsent, die sich als Touristen insgesamt ganz ordentlich benehmen. Das prägt. Nicht zuletzt hat die politische Zurückhaltung das Bild Deutschlands in der Welt gezeichnet. Mit der wachsenden Meinungsführerschaft in der EU wird sich diese Wahrnehmung zunehmend verändern.

Das Ergebnis der Umfrage sollte ohnehin mit Vorsicht genossen - und als Ansporn verstanden werden. Denn Coolness kann schnell in Arroganz umschlagen, der Musterschüler zum hässlichen Streber mutieren. Gerade wir Deutsche sind vor Großmannssucht ja nicht gefeit. Umfragen sind und bleiben nur eine Momentaufnahme.

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