Le Pen ist plötzlich nicht mehr unumstritten

Paris · Analyse Nach den französischen Präsidentschaftswahlen ringt der Front National um seinen Kurs. Die Parteichefin scheint eher auf kosmetische Veränderungen zu setzen.

Marine Le Pen hat geahnt, dass die Stunde der Abrechnung gekommen ist. Schon am Abend ihrer Niederlage kündigte die Rechtspopulistin deshalb einen grundlegenden Umbau an. "Der Front National muss sich erneuern, um auf der Höhe der Erwartungen zu sein", sagte die Parteichefin, die bei der Stichwahl um das französische Präsidentenamt knapp 34 Prozent bekommen hatte. Eine "neue politische Kraft" solle entstehen, der sich alle Patrioten anschließen könnten. Hat die Tochter damit die alte, von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen gegründete Partei beerdigt? Die Antwort auf diese Frage wird wohl erst im nächsten Jahr folgen, wenn der FN seinen nächsten Parteitag abhält. Doch die Debatte um den künftigen Kurs ist unter den "Frontisten" bereits entbrannt.

Es ist auch eine Debatte um die Parteichefin, die seit ihrem aggressiven Auftritt in der Fernsehdebatte mit Wahlsieger Emmanuel Macron nicht mehr unumstritten ist. "Es müssen Lehren gezogen werden", fordert ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Die Parlamentsabgeordnete, die vor allem in der Frage des Euro-Ausstiegs eine andere Position als ihre Tante hat, könnte nun als neue Führungspersönlichkeit ins Spiel kommen. "Marion ist für eine Vereinigung der rechten Kräfte und außerdem in keine Justizaffäre verwickelt", sagte ein Mandatsträger des FN der Zeitung "Libération". Ein Seitenhieb auf Marine Le Pen, die sich wegen möglicher Scheinbeschäftigung von Assistenten im Europaparlament verantworten muss.

Mehr als ihre Affären setzen der 48-Jährigen aber ihre strategischen Fehler zu. So hatte sie sich nicht nur auf die rechtsstehende Wählerschaft konzentriert, sondern auch versucht, Stimmen des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon einzufangen. Diese Rechnung ging nicht auf.

Während die Parteichefin die Kritik nach den Regionalwahlen 2015 noch abfedern konnte, wird diesmal der Druck stärker. Eine Änderung des Parteinamens, wie Partei-Vize Florian Philippot sie vorschlägt, dürfte die Gegner ihres Kurses nicht zufrieden stellen. "Wir denken, dass wir ein Kommunikationsproblem haben, den Namen ändern müssen, das Logo. Aber was passiert danach? Wenn der Inhalt doch derselbe bleibt? Die Franzosen sind nicht blöd", zitierte die Zeitung "Le Monde" einen FN-Lokalpolitiker. Schon im Wahlkampf war Le Pen nicht im Namen des FN aufgetreten. Ihr Logo, das nur eine blaue Rose und ihren Vornamen zeigte, sollte ein weiterer Bruch mit ihrem Vater sein. Jean-Marie Le Pen steht für Antisemitismus, Rassismus und Hass auf Homosexuelle - und genau davon will seine Tochter sich distanzieren. Zumindest nach außen, denn das nationalistische Gedankengut ist weiterhin in ihrem Programm und auch in ihrer Entourage zu finden.

Der Parteigründer wandte sich bereits gegen eine Namensänderung: "Ich werde den Namen des Front National nicht einfach so verschwinden lassen. Das müssen die Mitglieder entscheiden und nicht Herr Philippot." Marine Le Pens rechte Hand Philippot gilt als Hauptverantwortlicher des Ergebnisses, das schlechter ausfiel, als in Umfragen vorhergesagt. Denn der Europaabgeordnete coachte die Kandidatin nicht nur vor dem verpatzten TV-Duell. Er platzierte auch den Euro-Ausstieg oben auf der Agenda, der "MLP" für eine Mehrheit der Franzosen unwählbar macht. Für die Parlamentswahlen Mitte Juni soll das Thema Euro erst einmal zurückgestellt werden. Auch die Abrechnung mit Le Pen dürfte die Partei bis dahin vertagen.

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