Gastbeitrag Wir nehmen nicht hin, wir bleiben wachsam

Saarbrücken · Mit der erstmaligen Wahl eines Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus sendet der Landtag des Saarlandes in seiner heutigen Plenarsitzung ein wichtiges Signal: Wir sind nicht gleichgültig gegenüber Versuchen, Juden auszugrenzen und herabzusetzen.

 Stephan Toscani (CDU), Präsident des Landtages des Saarlandes   Foto: dpa

Stephan Toscani (CDU), Präsident des Landtages des Saarlandes Foto: dpa

Foto: dpa/Oliver Dietze

Wir treten dem überlieferten und dem neuen Antisemitismus in unserer Gesellschaft entschieden entgegen!

Das Amt des Beauftragten wird organisatorisch beim Landtag angesiedelt, ist aber in seiner Tätigkeit unabhängig. Auch dass die Verfassungsorgane bei Ausgestaltung und Besetzung eng zusammengearbeitet haben, unterstreicht den Stellenwert dieses Amtes.

Mit Prof. Roland Rixecker hat eine herausragende saarländische Persönlichkeit ihre Bereitschaft erklärt, dieses Amt zu übernehmen.

Wir nehmen nicht hin, dass der Hitlergruß wieder auf deutschen Straßen gezeigt wird. Auch die Verrohung der Sprache mit deutlichen Hinweisen auf den Sprachgebrauch im Dritten Reich nehmen wir nicht hin. Wir nehmen nicht hin, wenn Menschen wegen anderer politischer Vorstellungen, anderem Aussehen, anderer Religion, anderer sexueller Orientierung, einer Krankheit oder Behinderung, ausgegrenzt werden.

Denn, wenn wir das zulassen, verlieren wir das Mitgefühl, den Sinn für Gerechtigkeit und den Respekt vor der Würde unseres Gegenübers. Wir setzen uns vielmehr ein für einen wehrhaften Rechts­staat, der unsere Grundwerte und unsere Demokratie schützt.

Shimon Stein und Moshe Zimmermann haben in einem Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“ die Deutschen aufgefordert, sich ganz besonders die Geschichte vor 1933 ins Bewusstsein zu rufen, denn damals haben die Sprache und die Radikalisierung der Parteien, insbesondere die nationalsozialistische Propaganda, die Basis für die Verbrechen im Dritten Reich gelegt.

Wenn wir uns das vor Augen führen, erkennen wir: Wir müssen wachsam bleiben.

Diese Erinnerungsarbeit steht vor neuen Herausforderungen: Von Jahr zu Jahr werden die Zeitzeugen weniger. Hinzu kommt neuer Antisemitismus unter jungen Menschen, weil Kinder aus manchen Migrantenfamilien mit ganz anderen Augen auf die deutsche Vergangenheit blicken. Sie sind mitunter geprägt vom Antisemitismus in ihren Herkunftsländern und der Ablehnung des Staates Israel.

Darum ist und bleibt Erinnerungsarbeit aktuell: Zum einen richtet sich der Blick in die Vergangenheit: Es geht um historische Wahrhaftigkeit. Was ist wirklich geschehen? Warum ist es geschehen? Wie konnte es zu Brutalität, Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung kommen? Damit erinnern wir an die Opfer und geben ihnen ihre Würde zurück, die ihnen auf so schlimme Art genommen wurde. Gleichzeitig richten wir den Blick auf Gegenwart und Zukunft. Welche Lehren können wir für uns heute, aber auch für unsere Kinder – also für die Zukunft – aus den Geschehnissen ableiten?

Als Landtagspräsident engagiere ich mich im Rahmen der Erinnerungsarbeit gegen Antisemitismus.  Dabei ist es mir zum Beispiel besonders wichtig, Schülerinnen und Schüler anzusprechen und gemeinsam mit ihnen die erhaltenen und neu geschaffenen Erinnerungsorte zu besuchen, die das vielfältige jüdische Leben im Saarland belegen. Ich möchte sie so motivieren, sich selbst mit den Verbrechen zu beschäftigen, die im Dritten Reich in ihrem Lebensumfeld stattgefunden haben. Aus der Vergangenheit lernen, um Zukunft zu gestalten.

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