Kurzzeit-Ministerin mit dem Blick fürs Dauerhafte

Berlin · Johanna Wanka spitzt die Lippen. „Meine Herren, das kann doch wohl nicht alles gewesen sein! Wo ist die Dynamik bei Ihrer Frauenförderung?“, ruft sie in die Festversammlung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Unter den 34 Preisträgern des höchstdotierten deutschen Forschungspreises, der Humboldt-Professur, war seit 2009 lediglich eine Frau. Auch diesmal sind von den vier Auserwählten wieder drei Männer. Die Professoren-Runde - natürlich überwiegend männlich - schweigt. Man möchte das nicht kommentieren.

100 Tage ist Bundesbildungsministerin Wanka (CDU) heute im Amt. Am 14. Februar trat sie die Nachfolge der zurückgetretenen Parteikollegin Annette Schavan an. Und wer sich mit Wanka etwas länger unterhält, merkt schnell: Sie will keine Ministerin nur für die sieben Monate bis zur Bundestagswahl sein. Ihr Motto: Wer Politik macht, sollte stets auch an den Zeitraum danach denken - ganz gleich, wer das Angefangene zu Ende bringt.

Schavan habe ihr "große Schuhe" hinterlassen, hatte Wanka im Februar gesagt. Und merkte bald, dass da auch ein paar große Baustellen waren. Der Gesetzentwurf der Koalition zur Lockerung des umstrittenen Kooperationsverbots in der Bildung zum Beispiel. Eine Überraschung hatte Wanka dann vorige Woche parat. Als die SPD ihren Antrag für ein Acht-Milliarden-Euro-Programm des Bundes zum Ausbau der Ganztagsschulen und für eine Verfassungsänderung in den Bundestag einbrachte, machte die Ministerin in der Debatte zwar Front gegen die Genossen. Wenige Stunden später aber kam ihre Pressemitteilung: Wanka forderte die Länder auf, einen "bundesfinanzierten Masterplan" auszuhandeln, der in der Schulpolitik ein Finanz-Engagement des Bundes ermöglicht und ihm zugleich "inhaltliche Mitspracherechte" gibt. Darüber könne man dann reden. Irritiert hat das vor allem die Bildungspolitiker der Koalition.

Wanka sei mit "unglaublichem Selbstbewusstsein" an die Arbeit gegangen und habe viele eingefahrene Dinge auf den Kopf gestellt, ist aus der Unionsfraktion zu hören. Dabei entstehe dann eben mancher "Kollateralschaden". Zumindest Respekt wird Wanka selbst in der SPD gezollt, denn ihre erste Bewährungsprobe scheint sie gemeistert zu haben: die Aufstockung des Hochschulpaktes bis 2020 um mehrere Milliarden Euro. Als sie ihr Amt antrat, war noch fraglich, ob Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für die dringend nötigen zusätzlichen Studienplätze seine Kasse öffnen würde. Inzwischen signalisierten sogar die Landes-Finanzminister verhalten grünes Licht, am 13. Juni wollen Kanzlerin und Ministerpräsidenten die Aufstockung besiegeln.

Bleibt noch die große Baustelle Bafög-Reform - die Schavan seit Januar 2012 schmoren ließ, ohne auch nur einen Vorschlag zu unterbreiten. Wanka legte den Ländern zumindest erste Berechnungen vor, was einzelne Reformen kosten würden. Ende Mai beginnen die Verhandlungen. Viele in der Bildungs-Szene sind überzeugt, dass nach der Wahl ein großes Bund-Länder-Verhandlungspaket geschnürt wird: erneute Grundgesetzänderung für die Bildung, Hochschulfinanzierung, Bafög, aber auch Hilfen für die Schulen. Offen ist, wie das neue Oberhaupt des Bildungsministeriums dann heißen wird.

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