Kurz vor dem „Ja-Wort“ zur Homo-Ehe

London · An Irlands Westküste, in der Grafschaft Galway, erregt derzeit eine mittelalterliche Burg Aufmerksamkeit. Nicht wegen ihrer langen Geschichte, sondern wegen des riesigen Wandbilds an der Fassade. Eine Frau umarmt von hinten eine andere Frau - eine intime Szene.

Das Gemälde des Künstlers Joe Caslin soll Werbung machen für die Ehe homosexueller Paare. Heute darf die Inselbevölkerung per Volksentscheid über die Einführung der "Homo-Ehe" abstimmen und damit über die volle rechtliche Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare. Bei einem mehrheitlichen "Ja" wäre Irland das erste Land, das die Homo-Ehe per Referendum einführt.

Zwar genießen Schwule und Lesben in zahlreichen Ländern bereits dieses Recht. Dennoch wäre es ein großer symbolischer Erfolg für Befürworter der Homo-Ehe weltweit, weil das erzkatholische Irland als besonders konservativ gilt. Die Kirche hat dort traditionell einen hohen Stellenwert, auch deshalb wurde Homosexualität noch bis 1993 als Straftat eingestuft. Gut 20 Jahre später aber hat sich Irlands Gesellschaft gewandelt. Seit 2011 gibt es die eingetragene Lebenspartnerschaft, sie garantiert die juristische Gleichbehandlung im Erbrecht oder beim Thema Steuern. Die völlige Gleichstellung könnte nun das Referendum bringen. Irland wäre damit einen großen Schritt weiter als Deutschland, wo Homosexuelle lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen können. Justizminister Heiko Maas (SPD ) gab erst kürzlich zu, die Ehe für alle sei in einer Koalition mit der Union "schwer realisierbar".

In Irland wehen derzeit an vielen Fenstern und Autos Flaggen in Regenbogenfarben. "Ja"-Unterstützer gehen von Tür zu Tür, um Unentschlossene zu überzeugen. Wie der Aktivist Ewan Kelly. "Meine Eltern haben mich im Glauben erzogen, dass die Ehe eine wunderbare, natürliche, pflichtbewusste Sache ist. Deshalb will ich, dass die Ehe meine Beziehung stützt", sagt der 32-Jährige, der die Internet-Kampagne #Votewithus gestartet hat. Die konservative Regierung und die großen Parteien stehen fast einhellig hinter der Homo-Ehe, Ministerpräsident Enda Kenny will dafür die Verfassung ändern. Dies sei eine zivile Angelegenheit, keine religiöse, meint er.

Die katholische Kirche, deren Dominanz auch wegen zahlreicher Missbrauchs-Skandale schwindet, lehnt die Homo-Ehe dagegen vehement ab. In einigen Gotteshäusern verlasen katholische Geistliche am vorigen Sonntag sogar Briefe, in denen sie die Anwesenden aufriefen, mit "Nein" zu stimmen. Nach Überzeugung des Erzbischofs von Dublin beträfe eine Einführung der Homo-Ehe jeden Bürger, da sie "die Philosophie fundamental verändern würde, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt". Sein Kollege aus dem Erzbistum Cashel und Emly sieht die Ehe zwischen Mann und Frau als fundamental für das Leben der Menschen wie auch für das Wohlergehen der Gesellschaft.

Bislang scheinen diese Argumente bei den meisten der knapp fünf Millionen Iren kaum zu ziehen: In Umfragen liegen die Befürworter der Homo-Ehe vorn. Beobachter warnen aber vor der "leisen Nein-Gruppe". Viele Menschen wollten in Befragungen nicht zugeben, dass sie die Homo-Ehe ablehnen. Auch deshalb hat der Künstler Joe Caslin eines seiner Werke auf dem Land platziert. Städtisches Publikum sei generell offen für solche Themen, meint er. Im ländlichen Raum könne seine Kunst ganz andere Menschen erreichen.

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