Krieg als Normalität

Der Bundeswehreinsatz gegen die Terrormiliz IS, dem der Bundestag gestern zugestimmt hat, ist gefährlich - und er markiert den vorläufigen Höhepunkt einer strategischen Neuausrichtung deutscher Außenpolitik.

Schritt für Schritt ist in den Jahrzehnten nach dem Ende des Kalten Krieges das Engagement bei internationalen Militäroperationen ausgeweitet worden. Inzwischen ist es außenpolitische "Normalität", dass sich deutsche Soldaten an fast 20 Missionen weltweit beteiligen, dass die Politik das hohe Lied der internationalen Verantwortung singt. Nie wieder Krieg, das war einmal. Heute ist die Bundeswehr eine Armee im Einsatz. Mit allen Risiken. Für die Soldaten , aber auch die Deutschen daheim.

Militär kann bestenfalls politische Lösungen befördern, jedoch nie ersetzen. Dieser Grundsatz muss auch über den gestrigen Beschluss hinaus gelten. Gleichwohl könnte der Kampf gegen den islamistischen Terror die Sicherheitslage hierzulande so stark verändern wie noch kein anderer Auslandseinsatz der Bundeswehr zuvor. Das muss verantwortliche Politik den Menschen sagen. Der globalisierte religiöse Fanatismus macht nicht am Mittelmeer halt. Die Entscheidung des Bundestages zwingt daher auch die Sicherheitsbehörden dazu, noch wachsamer zu sein. Das ist eine der innenpolitischen Komponenten dieses Einsatzes.

Darüber hinaus war es ein Trugschluss zu glauben, mit dem Ende des Afghanistan-Einsatzes würde sich Deutschland zurückbegeben können in die Rolle eines di plomatischen Friedensstifters. Das Engagement am Hindukusch wird anderenorts fortgesetzt, Soldaten brechen demnächst auch nach Mali auf. Der Kampf gegen den Terror wird die Politik noch vor weitere, schwere Entscheidungen stellen, die jetzt noch nicht konkret absehbar sind - und dieser Kampf wird Jahre dauern. Das wirft weitere Fragen auf: Kann die Bundeswehr die neue Herausforderung schultern? Die jährlichen Berichte des Wehrbeauftragten, die bisherige Beschaffungspolitik mit all den Milliardenpleiten lassen erhebliche Zweifel aufkommen. Wenn man den Anti-Terrorkampf, zumal weltweit, politisch will, zwingt das zu Veränderungen bei Ausbildung und Ausrüstung der Truppe. Ist sich die Verteidigungsministerin darüber im Klaren? Weiß der Finanzminister, was dies für seinen Etat bedeutet? Hier sind Zweifel berechtigt.

Die Bundeswehr hat zudem erhebliche Nachwuchsprobleme. Und die Aussicht, bald irgendwo auf der Welt die Waffe zücken zu müssen, macht die Truppe für junge Menschen nicht attraktiver. Es könnte der Tag kommen, an dem über die Rückkehr zur Wehrpflicht diskutiert wird, um die Landesverteidigung noch gewährleisten zu können. Nicht heute, aber vielleicht morgen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort