Krankheit schwächt Clinton und ihren Wahlkampf

Washington · Als Hillary Clinton die Wohnung ihrer Tochter Chelsea verließ, wo sie sich nach einem Schwächeanfall zwei Stunden lang ausgeruht hatte, versuchte sie so fidel zu wirken, als gäbe es nichts Schöneres, als an einem Sonntag in Manhattan vor einem Pulk von Kameraleuten schauspielern zu müssen. Sie lächelte, sie winkte, sie posierte mit einer Schülerin für ein Erinnerungsfoto.

Die Szene im Flatiron District Manhattans dürfte ihr Einiges an Kraft abverlangt haben, denn im Moment ist es um Clintons Gesundheitszustand nicht gut bestellt. Am Sonntagvormittag musste die Präsidentschaftskandidatin bei einer Feier zum Gedenken an die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 vorzeitig das Feld räumen, nachdem sie rund neunzig Minuten in schwüler Hitze durchgehalten hatte. Ein Passant stellte ein Video ins Netz, das erst recht für Wirbel sorgte. Es zeigt, wie Hillary Clinton kurz vor dem Einsteigen in ihren Van in die Knie geht, sodass ihre Leibwächter sie auffangen müssen. Wie sie für ein paar Augenblicke die Kontrolle über ihren Körper verliert und möglicherweise auch ihr Bewusstsein.

Hinterher ließ ihr Stab einsilbig verlauten, die Kandidatin habe sich "überhitzt" gefühlt. Dann schob ihre Ärztin Lisa Bardack hinterher, Clinton habe für längere Zeit unter chronischem Husten gelitten und sich am Freitag schließlich untersuchen lassen. Dabei habe sie, Dr. Bardack, eine Lungenentzündung diagnostiziert. Worauf Clinton eine für gestern und heute geplante Reise nach Kalifornien absagte.

Die Episode ist nun ein gefundenes Fressen für alle, die glauben, Hillary habe wieder einmal etwas zu verbergen. Es liegt auch an der Clinton'schen Neigung zur Geheimniskrämerei, dass ihr nach aktuellen Umfragen nur 35 Prozent ihrer Landsleute vertrauen. Wieder einmal wirkte es so, als scheue sie Transparenz. Dabei ist die Gesundheit der früheren Außenministerin schon deshalb ein Thema, weil sie im Oktober ihren 69. Geburtstag feiert. Gewinnt sie im November das Votum, hätte sie den von Ronald Reagan gehaltenen Altersrekord fast eingestellt.

Ein Thema ist ihre Gesundheit auch, weil Hillary Clinton 2012, damals noch Chefin des State Department, nach einem Sturz einen Blutklumpen im Gehirn hatte und eine Zeit lang verschwommene Bilder sah. Sechs Monate habe sie bis zur vollen Genesung gebraucht, plauderte ihr Mann Bill einmal aus dem Nähkästchen. Verschwörungstheoretiker wiederum fabulieren von epileptischen Anfällen und fortschreitender Demenz. Eine Sprecherin Donald Trumps wollte neulich sogar eine Sprachstörung bei Hillary ausgemacht haben. Und Trump selber wird nicht müde, Zweifel zu säen: Seiner Rivalin fehle die physische Stärke, die man brauche, um im Oval Office regieren zu können.

Nur gibt eben auch die Belastbarkeit des Baulöwen Anlass zu Spekulationen, allein schon, weil der Mann siebzig ist. John McCain , 71 Jahre alt, als er sich fürs Weiße Haus bewarb, machte 2008 eine 1173 Seiten dicke Krankenakte publik. Der Leibarzt des Immobilienmoguls, Harold Bornstein, beließ es bislang bei der ebenso knappen wie euphorischen Feststellung, dass Trump der gesündeste Präsident wäre, der jemals gewählt wurde. Näheres soll nur dann preisgegeben werden, wenn auch Clinton Farbe bekennt.

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