Kontinent im Würgegriff der Korruption

Lima · Analyse Ein Ex-Präsident auf der Flucht, ein Friedensnobelpreisträger unter Druck, Verwerfungen von Panama bis Peru: Ein Bau-Skandal erschüttert Lateinamerika.

Alejandro Toledo wird als der "dicke Fisch" in einem Korruptionsskandal bezeichnet, der epische Ausmaße annimmt. Aber der Fisch ist entwischt. Der Ex-Präsident Perus soll bis zu 20 Millionen US-Dollar Bestechungsgeld kassiert haben. Für den Bau einer Straße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.

Doch Toledo ist längst nicht der einzige Spitzenpolitiker in Lateinamerika, der in einen der größten Schmiergeldskandale der Welt verwickelt ist. Seit Tagen gibt es um ihn ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Justiz in Peru hat einen internationalen Haftbefehl beantragt. Erst war er in Frankreich, dann wurde er mit seiner Frau in den USA gesichtet. Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski hat daher nun US-Präsident Donald Trump um Hilfe bei einer Auslieferung gebeten. Toledo spricht via Facebook von einer "Hexenjagd". Er, der sich als Kämpfer gegen Korruption inszenierte, weist alle Vorwürfe zurück.

Wie ein Schneeball, der immer größer wird, erfasst der Skandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht von Brasilien aus immer mehr Länder. Vor allem, weil Behörden in Brasilien, den USA und der Schweiz knallhart ermitteln. Bis zu Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos reicht die Liste der ins Zwielicht Geratenen. Kolumbiens Präsident pocht auf eine rasche Aufklärung durch die nationale Wahlbehörde zu Vorwürfen, wonach Odebrecht 2014 eine Million Dollar für seine Kampagne gezahlt haben soll. "Der Schaden ist schon da", kritisiert Santos. Er vertraue der Aussage seines Wahlkampfchefs, der alle Vorwürfe bestreitet.

Genauso bestreitet Panamas Präsident Juan Carlos Varela, Spenden von Odebrecht bekommen zu haben. Pikant: Er war vom einstigen Vertrauten Ramón Fonseca Mora belastet worden. Fonseca ist Partner der Kanzlei Mossack Fonseca, die Politikern und anderen Promis beim Ausnutzen von Steuerschlupflöchern half und durch die "Panama Papers" in Verruf geriet. Fonseca und sein Partner Jürgen Mossack wurden wegen angeblicher Verstrickung in den Odebrecht-Skandal festgenommen.

Angefangen hat das "Odebrecht-Beben" in Brasilien mit dem "Lava Jato"-Skandal um Schmiergelder bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Petrobras-Konzerns. Politiker erhielten eine satte "Provision", wenn sie beim Zuschlag halfen, etwa für den Bau von Bohrplattformen. Nach und nach kam ein System systematischer Bestechung ans Licht. Odebrecht "refinanzierte" die Kosten offensichtlich dadurch, dass Bauprojekte am Ende viel teurer waren - so kostete der Ausbau der Interoceánica in Peru statt der geplanten 850 Millionen Dollar 2,1 Milliarden.

Insgesamt sollen 785 Millionen Dollar, rund 734 Millionen Euro, Schmiergelder in zwölf Ländern geflossen sein. Es soll im Konzern extra eine eigene "Bestechungsabteilung" gegeben haben. Mehrere Manager hatten durch ihre Aussagen die Ausmaße des Skandals ans Licht gebracht. Sie hoffen auf eine gnädige Kronzeugenregelung, nachdem der langjährige Chef Marcelo Odebrecht zu über 19 Jahren Haft verurteilt worden war. Vor Weihnachten willigten der von Nachfahren deutscher Einwanderer gegründete Odebrecht-Konzern und das Chemie-Unternehmen Braskem, an dem Odebrecht beteiligt ist, in einen historischen Vergleich ein: 3,5 Milliarden Dollar sollen über mehrere Jahre gezahlt werden. Es ist nach Angaben des US-Justizministeriums die größte Strafsumme, auf die sich die Beteiligten jemals in einem Korruptionsfall geeinigt haben.

In Brasilien wird in Kürze die nächste "Bombe" erwartet. Der Justiz liegen brisante, noch unter Verschluss gehaltene Aussagen von Odebrecht-Managern vor, die die Regierung von Präsident Michel Temer erschüttern könnten.

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