Leitartikel Deutschland braucht den offenen Dialog mit dem Islam

Die Voraussetzungen, unter denen die vierte Islamkonferenz gestern in Berlin gestartet ist, könnten ungünstiger nicht sein. Gastgeber war Horst Seehofer, der zu Beginn seiner Amtszeit als Bundesinnenminister gleich klar gestellt hatte, dass aus seiner Sicht der Islam nicht zu Deutschland gehört.

Kommentar zur Islam-Konferenz
Foto: SZ/Robby Lorenz

Auch wenn er seine Haltung gestern deutlich relativierte, die Äußerung hat viele gut integrierte Muslime förmlich vor den Kopf gestoßen. Das Misstrauen gegenüber dem CSU-Mann und seiner innenpolitischen Agenda ist berechtigterweise groß. Ob Seehofer der Richtige ist, um der Konferenz neue Impulse zu geben, also eher zu versöhnen, statt zu spalten, so wie einst sein CDU-Vorgänger Thomas deMaizière, ist doch eher fraglich. Zumal Seehofer ein Innenminister auf Abruf ist.

Darüber hinaus treffen sich die Teilnehmer in einer Zeit, in der die AfD die migrationspolitische Debatte vorantreibt und damit auch die Diskussion über das Verhältnis zum Islam in weiten Teilen zu dominieren scheint. Die Rechtspopulisten sitzen im Bundestag und scheuen sich nicht, fast jedes Thema auf Flüchtlinge auszurichten, die in ihrer Mehrzahl muslimischen Glaubens sind. Jede begangene Straftat wird zum Generalverdacht. Auch das Grundrecht auf freie Religionsausübung hierzulande wird mitunter in Zweifel gezogen. Dadurch hat sich das gesellschaftliche Klima zweifelsohne weiter gewandelt und ist dem Islam gegenüber mehr denn je sehr kritisch. Es ist die Aufgabe der nicht-muslimischen Seite dieser Konferenz, gegenzuhalten. Auch von Horst Seehofer.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass viele Vorbehalte in dieser Religion selbst begründet liegen oder zumindest darin, wie sie von einigen Muslimen ausgelegt wird. Mancher Flüchtling bringt Sichtweisen und Einstellungen mit, die ganz und gar nicht zu westlichen Werten passen. Es gibt religiös motivierte Frauen- und Demokratieverachtung; es gibt islamistische Gewalt und Terror. Das muss angesprochen und dagegen muss vorgegangen werden. Aber den Islam ausschließlich so zu sehen, unterstellt allen Muslimen ein tradiertes Religionsverständnis. Und das ist sicherlich nicht der Fall.

Die Entfremdung ist also so groß wie nie. Der Konferenz ist es bislang aber nicht gelungen, sie zu überwinden. Soll heißen, zu einer Beruhigung oder zu einer Art Befriedung im Miteinander beizutragen. Es ist ihr auch nicht gelungen, unmissverständlich deutlich zu machen, dass nur der friedliche Islam zu Deutschland gehören kann. Was wiederum die Aufgabe der muslimischen Seite wäre. Doch deren Initiativen verfolgen oftmals gegensätzliche Interessen, die selbst bei gutem Willen nicht zu vereinbaren sind. Auch diesmal liegt über der Konferenz der Schatten des Streits zwischen Reformern und Konservativen.

Wozu also noch dieses Forum? Die Antwort ist einfach: In Deutschland leben knapp fünf Millionen Muslime. Sie sind Teil der Gesellschaft. Bei allen Problemen, die Notwendigkeit, einen offenen und kritischen Dialog zu führen, ergibt sich daraus von selbst.

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