Die Union und der Fall Möritz Chance verpasst, klare Kante zu zeigen

Die Vorgänge rund um den wegen Nazi-Kontakten und eines Tattoos umstrittenen CDU-Lokalpolitikers Möritz sind ein Trauerspiel. Vermutlich hat man in der Berliner Unionsspitze lange Zeit geglaubt, die Angelegenheit ist weit weg in Sachsen-Anhalt, was geht’s uns an?

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: SZ/Robby Lorenz

Sehr viel jedoch. Denn bröckeln unten die Steine, bricht irgendwann auch der Rest zusammen. In Berlin ist das Aufatmen jedenfalls jetzt groß, dass der umstrittene „Parteifreund“ nach einem Ultimatum selber die Reißleine gezogen hat. Zur Tagesordnung kann man freilich nicht übergehen.

Der Fall Möritz hat zwar eine andere Qualität, nicht zuletzt, weil er ein Schlaglicht auf den miserablen Zustand des Landesverbands Sachsen-Anhalt geworfen hat. Von Nazi-Problemen ist die Rede. Aber im Grunde genommen geht es doch auch diesmal um die Frage: Wie hält die Union es mit den Rechten – mit den Hardlinern genauso wie mit denen, die in der AfD noch einigermaßen moderat unterwegs sind. Davon gibt es ja ein paar. Es ist kein Geheimnis: Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer muss sich immer öfter gegen Bestrebungen wehren, vom Beschluss gegen eine Kooperation mit den Rechtspopulisten abzuweichen. Im Bund steht die Mauer noch fest, aber schon in einzelnen Landesverbänden wackelt sie bedenklich, speziell im Osten. Und in der einen oder anderen lokalen Gliederung wurde sie bereits abgerissen. AKK läuft Gefahr, dass ihre scharfe Distanzierung vom rechten und rechtsextremen Spektrum klammheimlich ausgehöhlt wird. Weil man glaubt, das schadet nicht, das ist notwendig, um handlungsfähig zu sein, oder vielleicht in der Hoffnung, Wandel durch Annäherung zu erreichen. Doch so funktioniert das nicht. Einer, der dies im ablaufenden Jahr gelernt hat, ist ausgerechnet CSU-Chef Markus Söder. Der Kurs seines Vorgängers Horst Seehofer war, Positionen der Rechtspopulisten zu kopieren und als die eigenen zu verkaufen. Das war durchschaubar und nicht erfolgreich. Söder setzt inzwischen auf eindeutige Abgrenzung zu den Rechten. Das ist der richtigere Weg. Und der CSU-Chef weiß auch, dass der heftige Streit zwischen den Schwestern im vergangenen Jahr über die Flüchtlingspolitik und die andauernde innerparteilichen Diskussionen über den Kurs der Union nur dazu geführt haben, dass immer weniger Bürger den C-Parteien zutrauen, mit den Problemen in Deutschland fertig zu werden. Das belegen die Umfragen. Hinzu kommt, dass die Union bei den letzten Wahlen nicht vor allem an die AfD verloren hat, sondern die Abwanderung großer Teile von Anhängern der Partei aus der liberalen Mitte zu den Grünen erfolgt ist. Das Potenzial hier ist vermutlich weitaus größer als unter den AfD-Anhängern. Nichtsdestotrotz muss die Union zu dem zurückfinden, was sie einmal ausgezeichnet hat: Führungsstärke und klare Kante. Nur so wird sie wieder punkten. Der Fall Möritz wäre eine Chance gewesen für die Parteispitze in Berlin. Sie wurde verpasst. Trotz oder gerade wegen des eigenen Rückzugs des Lokalpolitikers.

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