Klimaschutz nicht mehr auf Agenda Corona-Krise bremst den Höhenflug der Grünen

Berlin · Lange Zeit hatte Bündnis 90/Die Grünen mächtig Konjunktur. Populäre Leute an der Spitze, dazu der Klimawandel als Mega-Thema. Das war der Stoff für immer neue Rekordwerte in den Umfragen.

 Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock haben es zurzeit schwer.

Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock haben es zurzeit schwer.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die populären Leute gibt es bei den Grünen nach wie vor, aber das Mega-Thema ist ihnen einstweilen abhandengekommen. In Zeiten der Viruskrise haben die meisten Menschen andere Sorgen. „Jetzt ist die Stunde der Exekutive“, räumte kürzlich auch der ehemalige Parteichef Jürgen Trittin ein. Soll heißen: In Gefahrenlagen wird die Opposition eher zur Nebensache. Der Blick der Bürger richtet sich zuallererst auf die Regierung. Und weil die ihren Job in der überaus angespannten Lage bislang ganz gut macht, wird das politische Geschäft für die Grünen schwieriger.

Fundamentale Hau-drauf-Rhetorik ist ihre Sache allerdings schon längst nicht mehr. Erinnert sei nur an die geradezu staatstragenden Bemühungen, nach der letzten Bundestagswahl vor drei Jahren ein Jamaika-Bündnis mit der Union und den Liberalen zu schmieden. An den Grünen ist die Sache bekanntlich nicht gescheitert. Und sie begreifen sich ja bis heute als Regierung im Wartestand. Da müssen sich die Grünen auch nicht verbiegen, wenn sie dem aktuellen Krisenmanagement der Regierung Anerkennung zollen. In der Bundestagsdebatte vor gut einer Woche bedankte sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt ausdrücklich dafür. Auch stimmte man allen dort diskutierten Nothilfegesetzen zu.

Als bloße Abnicker wollen die Grünen trotzdem nicht dastehen. Job der Partei sei es auch, die Regierung dabei zu „kontrollieren“, was sie tue und wie sie es umsetze, so Göring-Eckardt bei anderer Gelegenheit. Den massiven Eingriffen in bürgerliche Grundrechte etwa steht die Partei mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Da brauche es eine „Zeitschaltuhr“, um solche Maßnahmen nach einer gewissen Zeit automatisch außer Kraft zu setzen, mahnte kürzlich Bundesgeschäftsführer Michael Kellner an. Auch das Ansinnen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bewegungsprofile per Handy zur Ortung von möglichen Infizierten zu nutzen, stieß auf grünen Protest. Eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurde auch wegen ihrer Einwände schließlich fallengelassen.

Bei den Grünen eingezahlt hat das allerdings nicht. Manche Demoskopen sehen die Partei aktuell wieder deutlich unter der 20-Prozent-Marke. Noch vor ein paar Monaten lag sie mit der Union beinah gleichauf. Das beflügelte damals die Fantasien über einen möglichen Kanzler Robert Habeck. Der Parteichef versucht in diesen Tagen nach Kräften, sich im Gespräch zu halten. Mal fordert er Solidarität mit den Flüchtlingen, die unter katastrophalen Bedingungen auf griechischen Inseln ausharren müssen. Ein anderes Mal macht er sich für Corona-Bonds zur Abwendung einer möglicherweise erneut drohenden Euro-Krise stark. Auf Befremden stieß allerdings sein Versuch, die Corona-Krise mit dem grünen Herzensanliegen Klimaschutz zu verbinden: Als Hotels und Gaststätten bereits um ihr Aus fürchteten, schlug Habeck für die Branche ein Investitionsprogramm zum Austausch von Ölheizungen vor. Schließlich habe man dafür jetzt Zeit. Die Idee verschwand schnell in der Schublade. Bessere werden bei den Grünen derzeit verzweifelt gesucht.

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