Keine Hysterie, bitte

Ein Beil im Zug bei Würzburg, dann eine amateurhaft zusammengebaute Rucksackbombe in Ansbach, jetzt in Chemnitz professioneller Sprengstoff - die Qualität der terroristischen Bedrohung nimmt zu. Die Gefährdung in Deutschland ist konkret, und sie ist hoch. Dieser Satz wird seit langem von den Behörden heruntergebetet und von den Bürgern auch gehört. Aber verstanden wird er erst allmählich.

Es ist sehr zu hoffen, dass die Festnahme der Verdächtigen von Chemnitz dazu beiträgt, das Bewusstsein über die Gefahr zu erhöhen, ohne dass ein großer Anschlag geschieht. Ohne Hysterie. Nach wie vor nötig ist die Aufmerksamkeit der Bürger. Wahrscheinlich sogar mehr als zuvor, denn die Terroristen werden es nun erst recht noch einmal in Deutschland versuchen.

Im aktuellen Fall waren es ausgerechnet syrische Flüchtlinge , die den Bombenbastler erkannten und festsetzten. Eine mutige Tat, gleichwohl in dieser Form nicht zur Nachahmung empfohlen. Diese Flüchtlinge haben viel riskiert, um ihr Gastland und seine Bürger vor der Bedrohung zu schützen. Kanzlerin Angela Merkel hat darauf ausdrücklich hingewiesen. Jene, die Flüchtlinge nur als potenzielle Terroristen sehen, sollten das zur Kenntnis nehmen.

Für die Sicherheitsbehörden ist der vereitelte Anschlag ganz sicher ein Anlass, ihre Vorbereitungen noch mal durchzuprüfen. Sie sind inzwischen bestens miteinander vernetzt, haben hervorragende Technik und auch immer mehr Personal. Dennoch läuft ihnen ein bestens observierter Verdächtiger so einfach weg - das darf nicht passieren und muss aufgeklärt werden. Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt , die Polizei in Bund und Ländern sind schon verdammt gut geworden. Aber sie müssen noch besser werden. In der Praxis liegen die Probleme. Nicht auf Ebene der Gesetze, die weitgehend antiterrortauglich ist.

Es hat schon viele abenteuerliche Vorschläge gegeben. Aber mutmaßliche Gefährder einfach in Präventivhaft zu nehmen, sie also zu Hunderten zu internieren, ohne dass sie konkret etwas getan hätten, das ist absolut indiskutabel. Wo beginnt der Verdacht, wo hört er auf? Wir haben Gesetze und Haftgründe für konkrete Taten, sei es Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, illegaler Waffenbesitz oder Sprengstoff-Herstellung. Die muss man anwenden, vielleicht konsequenter als bisher. Eine Art Schutzhaft darf es nicht geben. Zwar scheint der Vorschlag viele Probleme mit einem Schlag zu lösen, scheint die Last der Ermittlung und Observierung zu mindern. Auf den zweiten Blick aber sieht man, dass sich der demokratische Staat damit auf eine schiefe Ebene begibt und seine eigenen Grundsätze in Frage stellt. Einen solchen Erfolg darf man den Terroristen niemals gewähren.

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