Kein Reifezeugnis für SPD

Die Saar-SPD hat mit ihrer Kehrtwende zu G 9 eines mit Sicherheit geschafft: Der Saar-Landtagswahlkampf, der bisher nur träge und lustlos geführt wurde, ist etwa zwei Monate vor dem Urnengang lichterloh entbrannt. Beim Thema Wiedereinführung des Abiturs nach neun Jahren Schulzeit an Gymnasien kann fast jeder Bürger mitreden. Doch warum brauchte die SPD ein Forsa-Umfrage-Ergebnis, das eine Drei-Viertel-Mehrheit für die Wiedereinführung von G 9 brachte, um ihre Meinung so radikal zu ändern? Die auf dem Fuße folgende Kritik des Koalitionspartners CDU und mancher Lehrerverbände , dass es der SPD vordergründig um Stimmenfang gehe, ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich hinkt die SPD laut Umfragen der CDU noch weit hinterher.

Auch die Kritik, dass die SPD mit ihrem Vorschlag, den Gymnasien selbst die Entscheidung über eine Rückkehr zu G 9 zu überlassen, den Schulfrieden auf das Äußerste strapaziere, ist mehr als berechtigt. Aber war es nicht dieser "Schulfrieden", den SPD-Bildungsminister Ulrich Commerçon als Argument benutzt hatte, keinesfalls zu G 9 zurückzukehren? Eben darum sind auch manche Lehrerverbände aufgebracht.

Noch schwerer wiegt bei denjenigen Lehrern, Eltern und Schülern, die der Sozialdemokratie nahe stehen, dass die SPD auch ihr zweites Argument gegen eine G-9-Rückkehr an den Gymnasien begraben zu haben scheint. Denn Commerçon hat allen Eltern, die seit einiger Zeit in Initiativen und per Volksbegehren für die G-9-Rückkehr an Gymnasien fechten, immer gesagt: Wir haben doch G 9 im Saarland - in den Gemeinschaftsschulen ist ein Abitur in neun Jahren Schulzeit möglich.

Und deshalb ist die Enttäuschung vor allem bei denjenigen, die aus ursozialdemokratischer Anschauung die G-9-Gemeinschaftsschulen weiter stärken wollen, damit möglichst viele Schüler in den Genuss einer Schulzeit kommen, die soziale Kompetenzen weitaus mehr fördert als es Gymnasien tun, so riesengroß. Da hat sich die Saar-SPD in ihr eigenes Fleisch geschnitten, denn mit einem neuen G-9-Angebot an den Gymnasien werden die Gemeinschaftsschulen alles andere als gestärkt.

Schlimmer noch: Wenn selbst die SPD-nahe Arbeitskammer im Saarland befürchtet, dass die Gemeinschaftsschule durch die SPD-Kehrtwende zur "Restschule" zu werden drohe, ist das beileibe kein Wahlaufruf. Wobei das Wort "Restschule" ein schreckliches Unwort ist, das die Arbeitskammer aus ihrem Wortschatz streichen sollte.

Was bleibt? Die SPD setzt auf viele zufriedene Eltern, die hoffen, dass nach der Wahl ein G-9-Gymnasium in ihrer Kommune eingerichtet wird. Klar ist das aber nicht - ebenso wie die sozialdemokratische Bildungspolitik.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort