Kein Raub auf Knopfdruck

Meinung · Wer sein Video des vergangenen Urlaubs oder die Fotos des jüngsten Familienfestes der Verwandtschaft per Internet zur Verfügung stellen möchte, kommt um die sogenannten File-, Share- oder One-Click-Hoster nicht herum

Wer sein Video des vergangenen Urlaubs oder die Fotos des jüngsten Familienfestes der Verwandtschaft per Internet zur Verfügung stellen möchte, kommt um die sogenannten File-, Share- oder One-Click-Hoster nicht herum. Diese Internet-Dienstleister bieten die überaus praktische Möglichkeit, sehr große Dateien, die sich niemals per Mail versenden ließen, einem sehr großen Interessentenkreis zu präsentieren - zumindest in der Theorie. In der Praxis wird sich natürlich niemals eine sehr große Zahl von Zuschauern den verwackelten Urlaubsfilm oder die völlig verblitzten Schnappschüsse vom Familienfest bei Tante Trude antun. Wenn Tausende oder gar Millionen Internet-Nutzer in kurzer Zeit immer wieder dieselben Gigabyte-Dateien von den Servern eines Filehosters saugen, dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass hier nicht Privates legal vervielfältigt wird, sondern illegale Kopien von Filmen, Musikstücken oder Computerspielen gezogen werden. Wer weiß, wo er suchen muss, findet heute im Netz Listen, die mehrere Hundert Filehoster aufzählen. Und wer die richtigen kennt, kann dort jedes und alles herunterladen.Verteidiger der Sharehoster zum Beispiel aus den Reihen der Piratenpartei sagen, diese Internet-Portale erbrächten die gleiche Dienstleistung wie der Betreiber einer Lagerhalle, der ja auch nicht für das Verhalten seiner Kundschaft verantwortlich gemacht werden könne. Das ist, vorsichtig formuliert, blauäugig. Im Fall der jetzt dicht gemachten Internetseite megaupload.com scheint eine solche Diskussion aber, nach allem was bisher bekannt ist, schlicht überflüssig. Die Mega-Macher, die nach eigenen Angaben Millionen Besucher am Tag hatten, und deren Seite zu den meistbesuchten überhaupt zählte, wussten offenbar genau, was sie wollten - und sie kassierten Millionen.

Die Freiheit im Internet wird durch die Abschaltung einer Daten-Plattform, über die laut Anklage massenhaft Raubkopien von Filmen und Musik in alle Welt verteilt wurden, ebenso wenig gefährdet wie der Rechtsstaat durch die Festnahme einer Hehlerbande. Umso unverständlicher ist deshalb, dass die Steinewerfer des Internets aus der Anonymous-Fraktion jetzt ausgerechnet wegen des Falls Megaupload zur Attacke blasen. Es ist ein ehrenwertes Ziel, die Freiheit des Internets vor überzogenen Eingriffen des Staates oder gegen den Druck übermächtiger wirtschaftlicher Interessen zu schützen - ein Beispiel hat diese Woche der Wikipedia-Blackout gegen geplante US-Gesetze gegeben. Wer die Freiheit schützen will, muss sie aber auch gegen jene verteidigen, die diesen Begriff in einem zutiefst egoistischen Sinn definieren und den Diebstahl geistigen Eigentums zu ihrem Geschäftsmodell zu machen versuchen.

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