Junge Verlierer

Meinung · Jugendliche in Deutschland haben nach jüngsten Erkenntnissen im Europa-Vergleich weit überdurchschnittlich gute Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch die lange beschworene "Generation Praktikum", die sich zunächst über Jahre Unternehmen unbezahlt andienen musste, um den Einstieg zu schaffen, ist dank der robusten wirtschaftlichen Entwicklung inzwischen auf dem Rückzug

Jugendliche in Deutschland haben nach jüngsten Erkenntnissen im Europa-Vergleich weit überdurchschnittlich gute Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch die lange beschworene "Generation Praktikum", die sich zunächst über Jahre Unternehmen unbezahlt andienen musste, um den Einstieg zu schaffen, ist dank der robusten wirtschaftlichen Entwicklung inzwischen auf dem Rückzug. Alles gut also?Nein. Denn immerhin ist hierzulande noch immer jeder Zehnte unter 25 Jahren ohne Job - und unterliegt damit einem besonders hohen Armutsrisiko. Und dieses Problem ist mit Wirtschaftswachstum alleine nicht zu lösen. Es sind nämlich vor allem jene kaum in einen Job zu vermitteln, die ohne Berufsabschluss bleiben. Das muss auch an der Saar beunruhigen. Hier haben 2245 junge Arbeitslose im Alter bis 25 keine Ausbildung. Viel zu viele.

Woran liegt es? Der Schlamassel beginnt im Elternhaus. Wer seinen Kindern keine Werte vermittelt, etwa die Notwendigkeit regelmäßiger Arbeit als Voraussetzung zu einem angemessenen Lebensstandard, sie lieber vor dem Fernseher parkt, der macht sich mit mitschuldig am späteren Absturz. Die Misere setzt sich im Kindergarten und in der Grundschule fort. Gibt es überall die nötige Förderung? Wer erkennt Stärken, vor allem aber Schwächen, die man noch abstellen könnte? Wieso dauert, nicht zuletzt an der Saar, der Ausbau echter Ganztagsschulen so lang, die Defizite in Elternhäusern ausgleichen können?

Eltern müssen zudem offen und frühzeitig mit ihren Kindern über Berufswünsche reden. Denn viele Jugendliche scheitern an falschen Erwartungen in den Job. Auch Lehrer sind gefordert, müssen sich selbst in Betrieben einen Eindruck verschaffen, welche Anforderungen auf ihre Schüler zukommen. Zu solchem Wissen können auf ehrenamtlicher Basis auch erfahrene Unternehmer durch Besuche in Schulklassen beitragen. Zu den Notwendigkeiten gehört zudem, dass Schulen und Ausbildungsbetriebe Teilabschlüsse mit solchen Einzelqualifikationen bescheinigen, in denen sich der Jugendliche bewährt hat. Als Anreiz dazu, durch Weiterqualifizierung und eine neue Chance doch noch mehr zu erreichen.

Verbände, Kammern, Unternehmen und Gewerkschaften müssen sich gemeinsam für Neues öffnen. Dazu gehört ein größeres Angebot an einfachen Berufen, notfalls mit finanzieller Aufstockung des Staates. Nicht als Möglichkeit für Betriebe, billige Arbeitskräfte zu finden, sondern als Alternative zu einem Leben mit programmiertem sozialen Abstieg. Hier müssen die Gewerkschaften über ihren Schatten springen. Denn es wäre fatal, Menschen zu bestrafen, die arbeiten wollen, aber ab einem gewissen Punkt in ihrer Leistungsfähigkeit überfordert sind.

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