Jeder Schweizer soll 2500 Franken gratis bekommen

Bern · Geld vom Staat von der Wiege bis zur Bahre? Selten hat ein Referendum so polarisiert wie dieses. Nichts als heiße Luft sei die Volksinitiative "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen " in der Schweiz, schimpfen die einen. Ein verrücktes Vorhaben notorischer Faulpelze sei das. Andere preisen das Projekt als "Befreiung der Schweiz" und einzig richtige Antwort auf die vierte industrielle Revolution. Debattiert wird darüber auch anderswo in Europa. Doch nur in der Schweiz dürfen die Bürger über die Idee eines staatlichen Mindesteinkommens für jedermann an der Wahlurne entscheiden.

"Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen", heißt es im Text der Initiative, über die die Eidgenossen am 5. Juni abstimmen können. Spricht sich eine Mehrheit für die angestrebte Änderung der Verfassung aus, soll ein Gesetz die Einzelheiten regeln, insbesondere "die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens". Mindestens 2500 Franken (2268 Euro) pro Erwachsenem und 625 Franken (567 Euro) pro Kind müssten es dann schon sein, erklärt Daniel Häni, der Sprecher der Grundeinkommen-Initiative. Im Gegenzug sollen andere staatliche Sozialleistungen wegfallen, also die Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen.

In Deutschland wirbt der Milliardär Götz Werner als einer der prominentesten Befürworter schon seit 2005 für ein bedingungsloses Grundeinkommen . "Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen von der Arbeit zu befreien", meint der Gründer der Drogeriemarkt-Kette dm.

Das tut die Wirtschaft auch so: Immer mehr Experten warnen, dass durch die Digitalisierung und den Vormarsch der Roboter im Zuge der Industrie 4.0 Millionen von Arbeitsplätzen wegfallen werden. "Das bedingungslose Grundeinkommen ist die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt", erklären die Vertreter der Initiative.

Zugleich betonen sie, dass ein garantiertes Grundeinkommen die Menschen nicht zu Faulenzern mache. Umfragen zeigten, dass die weitaus meisten Schweizer auch dann weiter nach Bildung und Beschäftigung streben würden, wenn grundlegende Bedürfnisse gesichert sind.

Gegner der Initiative machen geltend, das Vorhaben sei nicht bezahlbar. Sie verweisen auf Berechnungen von Ökonomen der Universität St. Gallen: Danach müssten selbst beim Wegfall aller bisherigen Sozialleistungen noch jährlich 150 Milliarden Franken (136 Milliarden Euro) für die Finanzierung des Grundeinkommens aufgebracht werden. Dafür müsse die Mehrwertsteuer auf über 50 Prozent steigen.

Die Initiatoren widersprechen und verweisen auf eigene Berechnungen, wonach eine intelligente Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums Steuererhöhungen unnötig machen würde: "Das Grundeinkommen ist finanziell gesehen ein Nullsummenspiel."

Große Chancen auf Annahme hat die Initiative aber kaum, wie Umfragen nahelegen. An der Urne werde sie "mit Sicherheit scheitern", prophezeit die "Neue Zürcher Zeitung". Traditionell sind den Schweizern Sozialmaßnahmen mit umstrittener Finanzierung suspekt. So scheiterten an der Urne bereits Initiativen für einen Mindestlohn in Höhe von rund 12,50 Euro und für eine Verlängerung des Mindesturlaubs von vier auf sechs Wochen.

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