Ist die Geldflut der EZB überhaupt noch notwendig?

Frankfurt · Noch im März soll eine neue Geldflut über Europa schwappen: Die Europäische Zentralbank (EZB) beginnt mit ihrem billionenschweren Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Das soll helfen, Wachstumsflaute und Mini-Inflation zu bekämpfen.

Kritische Ökonomen und Politiker, vornehmlich aus Deutschland, schreien auf: Das sei nicht legal, die EZB überschreite ihr Mandat, sie betreibe Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Eine andere Frage gerät dabei aus dem Blick: Kann der Plan der Notenbank überhaupt aufgehen oder bleibt von der beabsichtigen Geldschwemme nur eine Geldpfütze?

Die Frage mag überraschen, gilt der riesige Wertpapierkauf doch als geldpolitisches Experiment sondergleichen. Die Zentralbank will Staatsanleihen und ähnliche Schuldpapiere im Wert von 60 Milliarden Euro kaufen - und das jeden Monat. Bis mindestens September 2016 soll so über eine Billion Euro Zentralbankgeld in die Finanzmärkte gepumpt werden. Der Plan: Die Verkäufer der Wertpapiere - in erster Linie Banken - sollen das frische Geld als Kredite an Unternehmen und Verbraucher weiterleiten oder anderweitig anlegen. Geschieht die Wiederanlage im Ausland, wertet der Euro weiter ab. Der Außenhandel würde dann über billigere Ausfuhren belebt.

Viele Experten weisen jedoch auf Fallstricke hin. Ein wichtiger Einwand: Die Nachfrage nach Staatsanleihen sei auch ohne die EZB als Marktakteur gewaltig. Daran ist die Notenbank nicht ganz unschuldig: Als Folge ihrer Nullzinspolitik herrscht Anlagenotstand. Die Kurse festverzinslicher Wertpapiere sind deswegen bereits extrem hoch. Tritt die EZB als Großeinkäufer hinzu, könnte sich die Lage weiter zuspitzen.

Die EZB könnte jedoch auf ein noch größeres Problem zusteuern: Unter Experten gilt als fraglich, dass sich Investoren überhaupt von ihren Anlagen trennen wollen. Ältere Staatsanleihen werfen - im Gegensatz zu vielen neuen Papieren - Zinsen ab. Zudem sind Staatsanleihen gerade für Banken besonders lukrativ, weil sie in der Bilanz nicht mit wertvollem Eigenkapital unterlegt werden müssen. Michael Leister von der Commerzbank kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die meisten Besitzer von Staatsanleihen "nur widerwillig" verkaufen würden.

Eine andere Frage ist, ob das riesige Konjunkturpaket der EZB überhaupt noch notwendig ist: Wirtschaftszahlen deuten darauf hin, dass sich der Euroraum zumindest stabilisiert hat, die Konjunktur vielleicht sogar anzieht. Von einer Rezession jedenfalls kann schon seit eineinhalb Jahren keine Rede mehr sein. Die schwache Inflation - der Hauptgrund für die EZB-Geldschwemme - ist vor allem Folge der massiv gefallenen Ölpreise.

So könnte es sein, dass die EZB nicht nur zur falschen Zeit - zu spät -, sondern auch am falschen Ort in die Vollen geht: Selbst EZB-Präsident Mario Draghi hat eingeräumt, dass die Erfolgsaussichten breiter Wertpapierkäufe in Europa schlechter seien als in anderen Ländern. Hauptgrund: In den USA, wo die Notenbank schon 2008 in den Großankauf eingestiegen war, finanzieren sich Unternehmen viel häufiger über die Ausgabe eigener Anleihen. In Europa spielen dagegen Bankkredite eine wesentlich größere Rolle. Die unmittelbaren Auswirkungen von Anleihenkäufen auf die Kreditzinsen gelten aber als geringer als die Wirkung auf die Zinsen von Unternehmensanleihen.

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