Ist der Verbraucher der Dumme?

Meinung · Nun werden viele Verbraucher wieder denken, sie sind die Dummen: Pferdefleisch statt Rindfleisch in einer Lasagne! Jetzt wohl auch in Deutschland. Skandal! Ja doch, keiner wird bestreiten wollen, dass es kriminell ist, wenn Kunden bewusst getäuscht werden. Die Wahrheit ist aber auch: Verbraucher stellen sich gerne dumm

Nun werden viele Verbraucher wieder denken, sie sind die Dummen: Pferdefleisch statt Rindfleisch in einer Lasagne! Jetzt wohl auch in Deutschland. Skandal! Ja doch, keiner wird bestreiten wollen, dass es kriminell ist, wenn Kunden bewusst getäuscht werden. Die Wahrheit ist aber auch: Verbraucher stellen sich gerne dumm. Denn wer sich darüber wundert, dass in einem Fertiggericht für weniger als zwei Euro mitunter nicht das drin ist, was versprochen wird, der verschließt die Augen vor den Realitäten des europäischen Lebensmittelmarktes. Und der leugnet sein eigenes Konsumverhalten - er will Essen so billig wie möglich kaufen.Alle Jahre wieder. Dioxin im Fleisch, Krebserreger in Eiern, Viren auf Sprossen, Lebensmittelskandale wiederholen sich wie der politische Aschermittwoch der Parteien. Dass die Kontrollen in diesem Bereich verbessert werden müssen, ist unumstritten und hat sich in Europa bereits herumgesprochen. Die Skandale zeigen jedoch auch etwas anderes: Herstellung und Vertrieb von Produkten sind längst ein extrem industrieller, europäisch verzahnter Prozess. Mit glücklich gackernden Hühnern und zufriedenen Kühen auf sattem Almengrün, wie die Werbung suggeriert, hat das alles nichts mehr zu tun.

Ein Netz aus Herstellern, Zwischenhändlern, Händlern und Abnehmern schiebt die Erzeugnisse von Land zu Land. Und da kommt dann schnell mal die richtige Kennzeichnung abhanden, oder aber ein Produkt erfährt die Wandlung vom Pferd zum Rind. Aber wen wundert das noch, wenn die internationalen Produktions- und Warenströme lediglich dazu dienen, den Preis möglichst gering zu halten und nicht die Qualität möglichst hoch. Das ist das zentrale Problem. Genau dadurch werden Betrug und Täuschung die Türen geöffnet. Viele Verbraucher wollen aber offenbar auch betrogen werden, weil sie von ihrem Glauben an hochwertiges Essen zum ganz kleinen Preis nicht abrücken möchten. Was hilft, ist nur ein umfassender Bewusstseinswandel. Der Kunde muss nicht der Dumme sein, wenn er sich dafür interessiert, was er isst und unter welchen Bedingungen seine Lebensmittel hergestellt werden; wenn er also wählerischer wird. Das ist möglich, auch in Supermärkten einer Billig-Kette.

Auf der anderen Seite muss die Politik mutiger sein und endlich die Abkehr von einem Teil der globalisierten Lebensmittelwelt einläuten. Durch Vorgaben für eine bessere Kennzeichnung von Waren, durch eine noch stärkere Förderung regionaler Produktionskreisläufe, und zwar von der Aufzucht über die Schlachtung bis zur Verarbeitung. Das hilft vor allem den Verbrauchern - aber auch den Produzenten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort