Inflation der Prognosen

Meinung · Inzwischen vergeht kaum ein Tag mehr, an dem nicht Heerscharen von Politikern, Experten und solchen, die sich dafür halten, mit wirtschaftlichen Horrorszenarien überbieten. Die Bundesbank sagt ein Minus von 0,8 Prozent voraus. Das Essener RWI orakelt über einen Rückgang von zwei Prozent. Das Ifo-Institut in München kontert mit minus 2,2 Prozent. Und es geht noch schlimmer

Inzwischen vergeht kaum ein Tag mehr, an dem nicht Heerscharen von Politikern, Experten und solchen, die sich dafür halten, mit wirtschaftlichen Horrorszenarien überbieten. Die Bundesbank sagt ein Minus von 0,8 Prozent voraus. Das Essener RWI orakelt über einen Rückgang von zwei Prozent. Das Ifo-Institut in München kontert mit minus 2,2 Prozent. Und es geht noch schlimmer. Denn nun hat sich das Bundeswirtschaftsministerium an die Spitze der Bewegung gestellt: Nach seinen internen Berechnungen könnte die deutsche Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um bis zu drei Prozent schrumpfen.Was sich für Laien eher harmlos anhört, würde den stärksten ökonomischen Einbruch in der deutschen Nachkriegsgeschichte markieren - und eine bedrohliche Spirale in Gang setzen. Je deutlicher der Abschwung, desto mehr Arbeitslose. Das wiederum mindert die staatlichen Steuer- und Beitragseinnahmen bei gleichzeitigen Mehrausgaben für Arbeitslosigkeit und Konjunkturmaßnahmen. Die Folge wäre ein horrender Anstieg der Staatsverschuldung, für deren Kosten spätere Generationen gerade stehen müssten. Sicher, es wäre fahrlässig, die Augen vor der heraufziehenden Rezession zu verschließen. Alle Prognosen künden letztlich davon, dass es deutlich schlechter kommt als vor wenigen Monaten vorhergesagt. Aber wie schlecht, steht weiter in den Sternen. Ein Überbietungswettbewerb der düsteren Botschaften verschärft allerdings das Problem. Wenn es stimmt, dass Börse und Wirtschaft auch immer Psychologie sind, wird die Verunsicherung so weiter angeheizt. Dabei tappen selbst renommierte Wirtschaftsgelehrte weitgehend im Dunkeln. Ihre Rechenmodelle taugen nicht für akute Krisen, sondern vornehmlich für den ökonomischen Normalfall. Das hat der Berliner Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann jetzt freimütig eingeräumt. Ist er damit ein Nestbeschmutzer seiner Zukunft? Manche mögen das so sehen. Der Einwurf des Chefs des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dient gleichwohl einer Versachlichung der aufgeheizten Debatte.

Konkrete Zahlen zu Schrumpfung des Bruttosozialprodukts, die zuhauf durch die Landschaft geistern, sind Momentaufnahmen. In der unseligen globalen Kombination von Immobilien-, Finanzmarkt-, und Absatzkrise wirken sie wie Kaffeesatzleserei. Dieser Umstand mindert natürlich nicht den Druck für ein zweites deutsches Konjunkturpaket. Wer in Rekordzeit einen Rettungsschirm für Banken aufspannt, darf sich nicht um einen Schutzschirm für Jobs drücken. Vorbeugen ist besser, als sich durch düstere Prognosen verrückt zu machen.

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