In München droht das nächste Bahn-Desaster

München. In der bayrischen Landeshauptstadt droht ein ähnliches Desaster wie beim Stuttgarter Bahn-Projekt "S 21". Mit dieser Alarm-Meldung sorgten gestern die Freien Wähler des Freistaats für Aufsehen. Anlass zur Sorge ist ihnen der geplante Bau einer zweiten S-Bahn-Röhre unter der Münchner Innenstadt

München. In der bayrischen Landeshauptstadt droht ein ähnliches Desaster wie beim Stuttgarter Bahn-Projekt "S 21". Mit dieser Alarm-Meldung sorgten gestern die Freien Wähler des Freistaats für Aufsehen. Anlass zur Sorge ist ihnen der geplante Bau einer zweiten S-Bahn-Röhre unter der Münchner Innenstadt.Die Wähler-Gruppe stützt sich dabei auf Berechnungen des Ingenieurbüros Vieregg-Rössler, wonach sich am Ende des Projekts die Kosten auf 3,45 bis 3,93 Milliarden Euro summieren. Bahn, Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt beziffern die Kosten inklusive Risikozuschlag dagegen auf 2,55 Milliarden Euro. Vieregg-Rössler könnten es wissen: Ihre Ingenieure hatten bereits 2008 die Kosten für "Stuttgart 21" statt der offiziell genannten 2,8 Milliarden Euro auf 5,6 bis 5,8 Milliarden geschätzt. Das sei in etwa die Größenordnung, die derzeit diskutiert werde, sagte gestern Unternehmenschef Martin Vieregg.

Nach seiner Überzeugung würde die Kostensteigerung im Münchner Fall dazu führen, dass der so genannte Kosten-Nutzen-Quotient unter Eins sinkt. Damit sei der Bund gesetzlich gehindert, das Schienenprojekt zu bezuschussen. Der Wegfall der 593 Millionen Euro aus Bundesmitteln wäre das Aus für die ehrgeizigen Pläne: Statt 1,57 Milliarden Euro wie vorgesehen müsste der Freistaat Bayern für gestiegene Baukosten und als Ersatz für die Millionen aus Berlin sage und schreibe 3,55 Milliarden Euro herausrücken.

Dass man mit den 2,05 Milliarden Euro der "Finanzierungsvereinbarung" vom vergangenen November nicht auskommen werde, hat nach Angaben des Ingenieurbüros auch die Bahn erkannt. Ein "internes Papier" der Bahn, das die Kosten um 386 Millionen Euro höher einschätzt, wurde freilich offiziell als unzutreffend dementiert. Vieregg-Rössler wiederum fanden beim Nachrechnen heraus, dass die zurückgezogenen internen Bahn-Berechnungen der - noch etwas teureren - Wahrheit ziemlich nahe kommen. Zusätzlich entstünden allerdings noch 142 Millionen Euro an Mehrkosten, weil man das komplizierte unterirdische Labyrinth unter dem Münchner Hauptbahnhof zu klein dimensioniert habe. Mit dieser Ansicht stehen die Experten nicht allein: Auch die Münchener Verkehrsgesellschaft bemängelte bereits eine zu geringe Anzahl von Rolltreppen. Nach Ansicht des Ingenieurbüros wurde zudem bei der Bauzeit sowie bei der Teuerungsrate zu optimistisch gerechnet.

Die Freien Wähler sind deshalb überzeugt, dass der zweite Münchener S-Bahn-Tunnel künftig ähnliche Schlagzeilen produzieren wird wie die Hamburger Elbphilharmonie, der Hauptstadtflughafen Berlin oder "Stuttgart 21". Zusammen mit einer örtlichen Bürgerinitiative fordert die Wählergruppe eine "Umwidmung" des Projekts. Der teure Tunnel blockiere die vielen notwendigen Verbesserungen der überlasteten Münchner S-Bahn, die viel schneller umsetzbar wären, sagt Generalsekretär Michael Piazolo. Zumindest müsse man schleunigst noch einmal genau nachrechnen, um ein späteres Desaster zu vermeiden.

Unterstützung erhalten die Freien Wähler hauptsächlich von den Grünen. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und seine SPD, die CSU und die Liberalen unterstützen dagegen das Vorhaben - von etlichen Abweichlern einmal abgesehen.

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