In Großbritannien droht ein "hängendes Parlament"

London. Die Chancen von Premierminister Gordon Brown für die Parlamentswahlen am kommenden Donnerstag bröckeln. Zwar steht seine Labour Party in den Meinungsumfragen wieder knapp vor den Liberaldemokraten (25), der Vorsprung der Konservativen ist jedoch auf zehn Punkte (38) gewachsen

London. Die Chancen von Premierminister Gordon Brown für die Parlamentswahlen am kommenden Donnerstag bröckeln. Zwar steht seine Labour Party in den Meinungsumfragen wieder knapp vor den Liberaldemokraten (25), der Vorsprung der Konservativen ist jedoch auf zehn Punkte (38) gewachsen. Aber nur wenn sich dieser Trend bis zum Wahldonnerstag verstärkt, könnten David Camerons Konservative auch auf die absolute Mehrheit im Parlament hoffen.Nach dem schwindelerregenden Zahlengeschaukel der letzten Wochen zeigt sich lediglich die Position der Liberaldemokraten als Fixpunkt für Wahlprognosen. Ihr Parteichef Nick Clegg punktete mit seinem unverbrauchten Image massiv in den TV-Debatten gegen Gordon Brown und David Cameron. In der ersten Begeisterung wurden Clegg und seine "LibDem" gar vor die Labour Party gesetzt. Doch angesichts der Griechenlandkrise und der wachsenden Angst um die Arbeitsplätze dämpften Cleggs Bekenntnisse zu einem Euro-Beitritt der Briten und für eine Amnestie illegaler Einwanderer das zwischenzeitliche Gejauchze um den britischen "Obama".Mit einem imponierenden Start im Wahlkampf hatte Brown zunächst die verheerenden Prognosen Lügen gestraft. Der begeisterte Rugby-Fan Brown verlor in der Endphase des Wahlkampfs aber ein wichtiges "Scrum". Dabei verkeilen sich die Gegner minutenlang fast bewegungslos, um durch taktisches Geschiebe ein paar Zentimeter Boden zu gewinnen. Labour und die Konservativen waren in diesem Spiel wochenlang unentschieden verkeilt. Dann machte Brown den verhängnisvollen Fehler, auf den seine Gegner in den britischen Medien gewartet hatten. Er redete bei einer Kundgebung einer Rentnerin erst honigsüß ums Maul und beschimpfte sie danach als "engstirnige Person". Dummerweise hatte er vergessen, dabei das angesteckte Minimikrofon auszuschalten. Trotz seiner demütigen Entschuldigung wurde dieser Betriebsunfall von den Massenmedien als Beweis für den Zynismus und die Verlogenheit Browns gewaltig ausgeschlachtet.Völlig übermüdet durch die Schadensbegrenzung dieses Vorfalls gelang es Brown anscheinend nicht, die neun Millionen Zuschauer der letzten TV-Debatte davon zu überzeugen, dass er der Mann sein werde, der den tief im Schuldensumpf steckenden Staatskarren wieder flott machen kann. Gut ausgeschlafen und kühl konterte David Cameron damit, dass Brown schließlich diesen Karren in den Dreck gefahren hat und keine weitere Chance mehr verdiene.Doch die Entscheidung über Browns Zukunft fällt erst in drei Tagen und das ist eine lange Zeit in der Politik. Wie es jetzt aussieht, werden weder Labour noch die Konservativen die absolute Mehrheit im Parlament gewinnen - ein sehr seltener Zustand in Großbritannien, wo dank des Mehrheitswahlrechts die stärkste Partei meist genug Wahlkreise gewinnt, um eine sichere absolute Mehrheit im Parlament zu erhalten. Möglicherweise müssen Cameron oder Brown mit den Liberaldemokraten eine in Großbritannien ebenso seltene wie ungeliebte Koalitionsregierung eingehen. Die große Frage bleibt daher, ob viele Briten am Donnerstag entgegen ihrer aktuellen Präferenz doch Labour oder Konservative wählen, um ein für sie unvertrautes "hängendes Parlament" mit einer Koalitionsregierung zu vermeiden. Bei der britischen Wahl am Donnerstag gibt es also viele Unbekannte.

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