In der Falle
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie Griechenland betreffen. In Abwandlung des geflügelten Wortes über die Zukunft ist Vorsicht geboten. So oft schon standen in den letzten Jahren eine Staatspleite und das Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion angeblich unmittelbar bevor, dass sich der Alarmismus verbraucht hat.
Es spricht jedoch einiges dafür, dass dieses Szenario nun tatsächlich eintritt.
Die Gespräche über Bedingungen für weitere Finanzhilfe sind in einer Sackgasse gelandet. Statt konstruktiver Vorschläge werden Vorwürfe ausgetauscht. Und das, obwohl die Uhr tickt: Alle verfügbaren Kreditmilliarden verfallen am 1. Juli, und es wären noch nationale Parlamentsbeschlüsse nötig, um sie freizugeben. Wenn man sich also nicht schnellstens auf neue Spar- und Reformziele einigt, die am Donnerstag in der Runde der Euro-Finanzminister beschlossen werden könnten, ist eine Staatspleite kaum mehr abzuwenden. Bankrott und "Grexit" sind so nah wie nie zuvor.
Wie konnte es so weit kommen? In der deutschen Debatte wird die Schuld bei Premier Tsipras und Finanzminister Varoufakis abgeladen. Tatsächlich haben sie mit aggressiver Rhetorik viel Vertrauen zerstört und in ihrem Land die unrealistische Erwartung geschürt, neues Geld könne ohne eigene Anstrengungen fließen, indem die Gläubiger zur Abkehr von ihrer neoliberalen Rettungspolitik gezwungen werden. Tsipras hat die linke Solidarität in Europa überschätzt und wird zugleich vom linken Flügel seiner Syriza-Allianz ermahnt, die eigenen Versprechen einzulösen.
Doch auch die andere Seite ist in Tabus gefangen. Gerade konservative Regierungen in ehemaligen "Rettungsschirm-Staaten" wie Irland, Spanien oder Portugal wollen nicht signalisieren, dass die wirtschaftliche Erholung ihrer Länder auch ohne soziale Einschnitte möglich gewesen wäre - das würde den Linksparteien Wähler in die Arme treiben. In Deutschland steht die CDU von rechts unter Druck, viele Unionsabgeordnete lehnen weiteres Entgegenkommen offen ab.
Euro-Gegner mögen jubilieren, da nun das Aus für Athen so nahe scheint. Tatsächlich könnten die ökonomischen Folgen für den Rest der Eurozone beherrschbar sein. Auch deshalb, weil deutsche und französische Banken nicht mehr so stark in Griechenland engagiert sind wie noch 2010, als die ersten Rettungsmilliarden vor allem sie schützten. Doch der politische Schaden wäre gewaltig: Der Zweifel an der Belastbarkeit der europäischen Einigung würde neu gesät. Und vor allem Deutschland als stärkste EU-Macht stünde am Pranger, all das nicht verhindert zu haben.
Die Akteure wissen das. In den nächsten Tagen wird die Antwort gegeben, ob sie sich doch noch aufeinander zubewegen können. Im Augenblick sieht es nicht danach aus.