In der CSU zählt nur stützen oder stürzen

München · Die Niederlage bei der Europawahl nagt weiter an der CSU. Auch von innen.

Parteichef Horst Seehofer muss sich erneut mit Kritikern aus den eigenen Reihen auseinandersetzen - und bleibt die Antwort nicht schuldig.

Der CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl, Markus Ferber , ritt am Wochenende eine weitere Attacke gegen Seehofer. Der verfolge in Berlin die falschen Anliegen und sei wankelmütig, kritisiert Ferber im "Spiegel". Mütterrente oder Ausländer-Maut seien keine bayrischen Kernanliegen. "Die CSU ist heute in Berlin ähnlich einflusslos wie 2008 unter Beckstein und Huber", ergänzte Ferber. Auch der ehemalige Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU ) kritisierte, dass die CSU ihre Ziele in Berlin nicht mehr durchsetze. Dies gelte vor allem für die Beseitigung der kalten Progression im Steuerrecht.

Seehofer holte umgehend zur Verteidigung aus: "Die Leute erwarten von uns, dass wir jetzt nicht Selbstbeschäftigung betreiben", sagte Seehofer dem "Münchner Merkur " (Montag). Ferber habe dem Kurs der Partei selbst zugestimmt, ohne seine Kritik einzubringen. Nun sei er offenbar verstimmt über seine Abwahl als Chef der Europagruppe der Christsozialen. "Der hat eine persönliche Niederlage erlitten. Man sollte als Politiker auch in der Niederlage Größe zeigen", ätzte Seehofer im "Münchner Merkur ". Bei der Vorstandsklausur am nächsten Samstag werde die Partei ihr schlechtes Abschneiden bei der Europawahl analysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Die Kritiker könnten ihre Vorwürfe dann erklären, so der bayrische Ministerpräsident.

Bereits vor drei Wochen hatte der frühere CSU-Chef Erwin Huber seinem Nachfolger "politische Todsünden" im Zuge des Europawahlkampfs bescheinigt und eine personelle Neuaufstellung der Partei gefordert. Die CSU-Landesgruppe im Bundestag und die Landtagsfraktion stellten sich damals jedoch hinter Seehofer. Nun legen andere CSU-Politiker nach, die nach einem Karriereknick nichts mehr zu verlieren haben. Sie sprechen aus, was vielen in der Partei an Seehofer stinkt. Den Vorsitzenden wird das allerdings nicht aus dem Sattel heben, kann er die Kritik doch als Nachtreten von Frustrierten abtun. Zudem hatte Seehofer nach glaubwürdigen Berichten kurz nach dem schlechten Europawahl-Ergebnis intern seinen Rückzug angeboten, was von den obersten Parteigremien nicht angenommen wurde. Kein ungeschickter Schachzug.

Solange das Gegrummel nur von der Verletztenbank kommt, muss sich Seehofer also keine großen Sorgen machen. Erst wenn der Unmut auf die aktive Mannschaft übergreift, rückt ein Trainerwechsel näher, um es in der Fußballersprache auszudrücken. Dabei richten sich die Augen zu allererst auf den "Superminister" Markus Söder. Schon als Landesvorsitzender der Jungen Union wusste er, wie mit der Macht umzugehen ist: "Stützen oder stürzen" - das ist nach Söders Weltbild die Alternative im Umgang mit den Oberen. Noch stützt er Seehofer. Zum Stürzen wäre es viel zu früh.

Die aktuellen Vorgänge werfen aber auch ein bezeichnendes Licht auf das Maß an Courage in Seehofers Gefolgschaft. Wer Ämter zu verlieren oder zu erhoffen hat, macht den Mund allenfalls hinter vorgehaltener Hand auf. Solcher Opportunismus ist zwar in allen Parteien zu beobachten, bei den Christsozialen aber besonders ausgeprägt.

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