Immer wieder Sachsen
Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollt in diesen Tagen durch Deutschland. Bürger nehmen spontan Flüchtlinge auf. Andere schmieren Brote und verteilen Getränke an die wartenden Menschen vor den Notunterkünften.
Es gibt aber auch die andere, die hässliche Seite der unerwarteten Herausforderung: massive Intoleranz bis hin zur offenen Gewalt gegen Flüchtlinge .
Rechte Schläger ziehen vor Asylbewerberheime, Unbeteiligte schauen zu oder feuern den Mob sogar an. Flüchtlingsunterkünfte gehen in Flammen auf. So wie jetzt in Bayern. Aber eben besonders in Sachsen, wo sich die Gewalt am Wochenende einmal mehr entlud. Heidenau ist das neue Synonym für furchtbaren Fremdenhass. Die gespenstischen Szenen in der Kleinstadt nahe Dresden wirken wie aus einem Bürgerkrieg entlehnt. Was läuft da schief?
Zweifellos haben die Sicherheitskräfte versagt. Die Polizei bekam die Lage nur schwer in den Griff. Doch wäre es kurzsichtig, die Vorgänge auf ein Sicherheitsproblem zu reduzieren. Sachsens Landesregierung steht leider nicht im Ruf, gegen fremdenfeindliche Umtriebe immer klare Kante zu zeigen. Als die Pegida-Bewegung mit dumpfen Ressentiments an Boden gewann, reagierte die Dresdner Staatskanzlei weitgehend hilflos. Besonders erschrecken muss allerdings, das ganz normale Bürger dem rechten Mob mit mehr oder minder unverblümten Sympathie-Bekundungen einen zweifelhaften Resonanzboden verschaffen. Im provozierenden Fremdenhass sehen manche offenbar die einzige Möglichkeit, es "diesem Staat" mal "so richtig zu zeigen", mit dem sie längst abgeschlossen haben.
Wie dumm und gefährlich das ist, machte kürzlich die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange klar. Nach ihren Angaben leidet der Wissenschafts-Standort Dresden erheblich unter den Folgen der latenten Ausländerfeindlichkeit. Manche Forscher machen inzwischen einen großen Bogen um die Stadt. Touristen aus aller Welt, die Sachsens reiches Erbe gern besichtigen würden und von denen der Freistaat wirtschaftlich stark profitiert, könnten die nächsten sein, die sich womöglich in Scharen abwenden. So schaden sich die Krawallmacher in Heidenau und anderswo am Ende auch noch selbst.
Innenminister de Maizière will die "gesamte Härte des Rechtsstaats" gegen solche Umtriebe walten lassen. Recht hat er. Genauso wichtig ist aber, dass die Bundesregierung die Flüchtlingsfrage nicht nur als technisches Problem behandelt, sondern als ethisch-moralisches. Sie muss endlich klar sagen, in welchem Umfang Deutschland helfen kann und wo es überfordert ist. Damit könnten auch dumpfe Vorurteile abgebaut werden. Übrigens: Angela Merkel hat noch nie ein Flüchtlingsheim besucht. Warum eigentlich nicht?