Im Zentralkomitee kehrt Demokratie ein

Bonn · Wenn vom "Zentralkomitee" die Rede ist, denken viele an Honecker oder Mao. Doch nicht nur Sozialisten und Kommunisten haben ein ZK, sondern auch engagierte Katholiken . Ihr Dachverband steht jetzt vor einer Zäsur.

Denn das gab's noch nie: eine Kampfabstimmung um das höchste Amt im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Heute können rund 200 Delegierte in Bonn-Bad Godesberg den neuen Präsidenten wählen, der dann 24 Millionen Laien vertritt.

"Laie" - das klingt wie ein Schimpfwort, ist in der Kirche aber ein Ehrentitel, denn gemeint ist: der getaufte Christ, der dem Volk (griechisch: laos) Gottes angehört, ohne ein Geistlicher zu sein. In keinem anderen Land der Welt haben die katholischen Laien ein so weit verzweigtes System von Mitsprachemöglichkeiten in Verbänden, Gremien und Diözesanräten aufgebaut wie in Deutschland. Und selten zuvor konnten sie ihren Einfluss so stark geltend machen wie in den vergangenen Jahren. Es sei "unstrittig, dass das ZdK für die Entwicklung der Kirche seit dem Missbrauchskandal eine ganz wesentliche Bedeutung hatte", sagt der scheidende Präsident Alois Glück . "Auch bisher skeptische Bischöfe erkennen das jetzt an."

Kurz nachdem Glück vor sechs Jahren ins Amt gekommen war, wurde der vielfache Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute bekannt. Die Kirche stürzte in die größte Krise ihrer Nachkriegsgeschichte. Dass sie den Skandal aufgearbeitet hat, dass verbreitet ein angstfreies innerkirchliches Klima entstehen konnte - das kann Glück zum Teil sich selbst und seiner Integrationskraft zuschreiben. Dem ehemaligen CSU-Politiker ist es gelungen, zwischen konservativen Oberhirten und ungeduldigen Reformkatholiken an der Basis zu vermitteln.

Mit seiner langen politischen Erfahrung und seinen Kontakten nach Berlin konnte Glück auch gesellschaftspolitisch punkten. Der Beschluss des Bundestages, die medizinische Versorgung und Pflege sterbender Menschen zu verbessern und geschäftsmäßige Sterbehilfe zu verbieten, geht nicht zuletzt auf erfolgreiche kirchliche Lobbyarbeit zurück.

Damit die Stimme der Laien auch künftig Gehör findet, soll wieder ein Politiker an die Spitze: entweder der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Thomas Sternberg oder die Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth (beide CDU ). Für Sternberg spricht: Er ist ein ZdK-Urgestein, der auch als Direktor der katholischen Akademie des Bistums Münster über vielfältige Kontakte verfügt. Die Kompetenz des 63-Jährigen für das Amt ist über jeden Zweifel erhaben. Dennoch gilt Flachsbarth als Favoritin. Denn sie ist elf Jahre jünger und wäre zudem ein Beweis dafür, dass Führungsfunktionen in der katholischen Kirche nicht durchweg von Männern besetzt werden müssen. Dem ZdK gehört sie erst seit 2011 an. Aber als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesagrarministerium und als Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes bringt Flachsbarth wichtige Voraussetzungen für das Spitzenamt mit.

Ganz gleich, wer gewählt wird: Die katholische Kirche wird in den kommenden Jahren weiter an Mitgliedern, Einfluss und Macht verlieren. Denn immer weniger Christen sind bereit, "in die Spannungsfelder des öffentlichen Lebens zu gehen und sich dort zu engagieren", konstatiert Glück. "Das ist eine meiner größten Sorgen für die Zukunft."

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