Im Norden rangeln sechs Parteien um die Macht

Kiel. Nach dem Bruch der großen Koalition in Schleswig-Holstein im Juli wird an diesem Sonntag der Landtag neu gewählt - und das Rennen um die Macht ist offen. Umfragen sehen eine höchstens hauchdünne Mehrheit für CDU und FDP, die Wunschkombination des amtierenden Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) und der Liberalen unter ihrem Fraktionschef Wolfgang Kubicki

Kiel. Nach dem Bruch der großen Koalition in Schleswig-Holstein im Juli wird an diesem Sonntag der Landtag neu gewählt - und das Rennen um die Macht ist offen. Umfragen sehen eine höchstens hauchdünne Mehrheit für CDU und FDP, die Wunschkombination des amtierenden Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) und der Liberalen unter ihrem Fraktionschef Wolfgang Kubicki. So kann sich der SPD-Herausforderer Ralf Stegner noch Chancen auf ein Bündnis gegen Schwarz-Gelb ausrechnen, für das er vermutlich die Linke brauchen würde. Die Frage, wer mit wem regieren kann, ist im hohen Norden noch spannender als in anderen Bundesländern: Mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit, sitzt eine Partei im Parlament, die für beide Lager attraktiv ist. Möglich ist auch eine "Jamaika"-Koalition.Der SSW, der nach der Wahl 2005 eine rot-grüne Minderheitenregierung unter Heide Simonis nur tolerieren wollte, möchte nun mitregieren. Die Partei kämpft zurzeit gegen die unterirdische Speicherung des Klimagases CO2 in Schleswig-Holstein und hätte als Regierungsfraktion mehr Einfluss auf entsprechende Bundesgesetze. Obwohl der SSW der SPD näher steht, schließt er ein schwarz-gelb-blaues Bündnis nicht aus. Spitzenfrau Anke Spoorendonk warnt beide möglichen Koalitionspartner: "Wir sind nicht pflegeleicht." Die Proteste von CDU-Größen aus ganz Deutschland gegen eine Beteiligung der "Dänen" an der Landesregierung vor vier Jahren hat der SSW nicht vergessen. Um dieses Problem zu umgehen, könnte Carstensen auf eine Jamaika-Koalition setzen. "Ich glaube fest an Schwarz-Gelb", betonte er zwar gestern wieder - unüberwindliche Hindernisse für Schwarz-Gelb-Grün gibt es aber nicht. Im seltsam themenlosen Wahlkampf fehlen die Konflikte: Das Schulsystem hat eine große Reform hinter sich, gegenüber dem störanfälligen Atomreaktor Krümmel haben auch CDU und FDP Bedenken, und dass Schleswig-Holstein mehr Windstrom erzeugen soll, ist parteiübergreifend Konsens. So lobt Carstensen öffentlich sein "sehr gutes Verhältnis" zum Grünen-Landeschef Robert Habeck. Habeck selbst mag zwar "Jamaika" nicht sagen, betont aber, dass er für "neue Möglichkeiten" offen ist. Die SPD unter Ralf Stegner liegt in den Umfragen zurzeit zwischen 25 und 27 Prozent, die FDP bei etwa 14 und die Grünen zwischen elf und 13 Prozent. Über die rechnerisch mögliche Ampel will die FDP aber nicht einmal nachdenken: "Keine Stimme für Stegner", sagt Kubicki. Für die "Dänenampel" aus SPD, Grünen und SSW - heute die Mehrheit im Landtag - wird es vermutlich nicht reichen, obwohl der SSW, für den die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt, vier bis fünf Prozent und damit mehr Sitze als bisher erwarten kann.Die Linke hat sich auf fünf bis sieben Prozent heraufgearbeitet und hofft auf "sieben plus x Prozent". Rot-Rot-Grün hätte dennoch zurzeit keine Mehrheit - dafür bräuchte es den SSW. Stegner schließt kein Bündnis aus: "Man soll mit allen reden außer mit Nazis", lautet sein Standardsatz. Die Linken-Spitzenkandidatin Antje Jansen erklärt, sie wolle in die Opposition - was auch bedeuten könnte, eine "Dänenampel"-Minderheitsregierung zu tolerieren. Vielleicht geht am Ende doch nur wieder eine große Koalition - eben jenes Bündnis, das Schleswig-Holstein vier Jahre Dauerkrach beschert hat.

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