Im Namen des Volkes, nicht Allahs

Werden bald in Deutschland Urteile im Namen des Volkes unter einem muslimischen Kopftuch ergehen? Die bayerische Justiz hat dafür die Tür geöffnet, als sie jetzt einer Rechtsreferendarin erlaubte, bei öffentlichen Terminen im Gericht ein Kopftuch zu tragen. Die Ankündigung der Münchner Staatsregierung, dagegen vorzugehen, war absehbar. Der bundesweite Aufschrei auch. Denn das Kopftuch kann irritieren. Weil es als Symbol einer minderen Stellung der Frau im Islam verstanden werden kann und als Bekenntnis zu einer Religion, die weit in den Alltag eingreift. Auch weil es ein Zeichen von Religiosität in einer Gesellschaft ist, die den Glauben gerne ins Private verbannen würde.

Nicht umsonst tobt seit langem ein Kampf um Kreuze in Schule und Gericht. Er loderte erst kürzlich auf, als das Amtsgericht Saarbrücken die christlichen Symbole aus den Sälen entfernte - unter empörter Begleitung von konservativer Seite. Es hatte die Neutralitätspflicht des Staates auf seiner Seite, die nun Konservative gegen das Kopftuch ins Feld führen. Tatsächlich geböte diese einen generellen Verzicht auf religiöse Symbole in staatlichen Einrichtungen.

Der Kopftuchstreit lässt sich damit aber nicht lösen. Denn das Tuch kann nicht nur als ein nach außen gerichtetes Symbol verstanden werden, wie das Bundesverfassungsgericht 2015 im Fall einer muslimischen Lehrerin anmerkte. Was, wenn eine Frau die Bedeckung als ihre religiöse Pflicht sieht? Dann wird ihr Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit durch ein Verbot am Arbeitsplatz massiv eingeschränkt. Es bleiben ihr ganze Berufsfelder verschlossen. Bei Lehrerinnen hat das Verfassungsgericht daher hohe Hürden für ein Kopftuchverbot errichtet. Eher zu hoch. Die Betonung der Religionsfreiheit ging hier selbst einigen Karlsruher Richtern zu weit: Lehrer seien Vorbilder, Kinder ihren religiösen Bekundungen besonders stark ausgesetzt, hieß es in ihrem plausiblen Minderheits-Votum.

Doch dieses Argument trifft im Gerichtssaal nicht zu, wo Erwachsene für eine begrenzte Zeit Streitsachen regeln. Richtig ist, dass die Person des Richters hinter seiner Funktion zurücktreten soll. Doch selbst die Robe kann Alter, Geschlecht und Habitus nicht verbergen. Da sollte die Sichtbarkeit der religiösen Orientierung nicht den Ausschluss vom Richteramt bedeuten. Warum dürfen Musliminnen, die das Kopftuch als Pflicht sehen, nicht Recht sprechen, wohl aber orthodoxe Juden, Evangelikale und männliche Muslime?

Entscheidend ist, dass das Bekenntnis keinen Einfluss auf das Urteil hat. Und was für eine tolle Botschaft: Eine Muslimin, die für sich selbst die Regeln ihrer Religion befolgt, aber streng nach zivilen Gesetzen Recht spricht. Im Namen des Volkes, nicht Allahs. Eine Absage an den Islamismus.

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