Im Frieden mit sich, im Streit mit der deutschen Kirche

München · In Altötting werden sie sich über das Lebensfazit von Papst Benedikt XVI . freuen. Was sein spiritueller Lieblingsort sei, fragte ihn der Publizist Peter Seewald. "Ist natürlich, würde ich sagen, Altötting", antwortete der 89-Jährige. Der bayerische Marien-Wallfahrtsort ist also ausgenommen von der scharfen Kritik, die Benedikt an der katholischen Kirche in Deutschland übt. An Klarheit fehlt es diesem unter dem Titel "Letzte Gespräche" erscheinenden Fazit des ersten Pontifikats eines Deutschen nach fast 500 Jahren nicht. Der zurückgezogen im Vatikan lebende Benedikt widerspricht so etwa selbstbewusst dem gerade in seinem Heimatland verbreiten Gedanken eines unglücklichen Pontifikats. "Als Gescheiterten kann ich mich nicht sehen", sagt Benedikt. Er räumt zwar ein, dass es "viel Schweres" in dem von 2005 bis 2013 dauernden Pontifikat gegeben habe. Dazu zählt er den Pädophilieskandal, das als "Vatileaks" bekannt gewordene Auftauchen geheimer Dokumente und den Skandal um den Holocaustleugner Richard Williamson . Aber für all diese Skandale hat er Erklärungen, die sein eigenes Handeln deutlich positiver darstellen, als es öffentliche Meinung ist. So sei er es gewesen, der das bis dahin lasche kirchliche Strafrecht novelliert habe, um für Kindesmissbrauch verantwortliche Priester aus der Kirche entlassen zu können. Er sei auch gegen eine homosexuelle Seilschaft im Vatikan erfolgreich vorgegangen. Die Exkommunikation des britischen Bischofs Williamson von der erzkonservativen Piusbruderschaft habe er nur aufgehoben, weil er nichts von dessen Holocaust-Leugnung gewusst habe - ein Fehler der Kurie.

Während Benedikt mit den Schwächen seines Pontifikats - er räumt selbst mangelnde politische Fähigkeiten und Schwächen in der Menschenkenntnis ein - also seinen Frieden machte, bereitet ihm die katholische Kirche in Deutschland äußerst negative Gedanken. Fast schon vernichtend klingt sein Gesamturteil über den Katholizismus in Deutschland. Es gebe dort "gewiss lebendigen Glauben und von Herzen kommenden Einsatz für Gott und für die Menschen", zählt er ein wenig Positives auf. Er beklagt die "Macht der Bürokratien", "die Politisierung", besonders aber das Verhältnis der deutschen Kirche zum Geld. Unter den Ortskirchen der Welt müsse die deutsche sich als erste fragen, ob sie nicht mehr für die Armen tun könne. Die deutsche Praxis, jemanden zu exkommunizieren, der aus der Kirche austritt und keine Kirchensteuer zahlt, "ist meiner Meinung nach nicht haltbar". Von einem "hoch bezahlten Katholizismus" spricht Benedikt über angestellte Katholiken. In seiner Freiburger Rede hatte er bei seinem letzten Deutschlandbesuch 2011 schon eine "Entweltlichung" der Kirche verlangt. Heute stellt er fest, dass die auch damit gemeinte Abkehr von Geld und Macht bewusst nicht verstanden wurde. Den als Papst der Armen geltenden Franziskus sieht Benedikt in seiner Kontinuität. "Es gibt vielleicht neue Akzente, natürlich, aber keine Gegensätze." Er finde die Art von Franziskus gut. "Eine neue Frische in der Kirche, eine neue Fröhlichkeit, ein neues Charisma, das die Menschen anspricht, das ist schon etwas Schönes."

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