Im Dauerwahlkampf droht Deutschland der Stillstand

Berlin. Wer Wahlkämpfe spannend findet, wird 2011 auf seine Kosten kommen. Im Schnitt steht alle siebeneinhalb Wochen eine herausragende Entscheidung an. Gleich in sieben Bundesländern wird ein neuer Landtag gewählt. Und falls die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen durch den Liebesentzug der Linken vorzeitig platzt, könnten es sogar acht sein

Berlin. Wer Wahlkämpfe spannend findet, wird 2011 auf seine Kosten kommen. Im Schnitt steht alle siebeneinhalb Wochen eine herausragende Entscheidung an. Gleich in sieben Bundesländern wird ein neuer Landtag gewählt. Und falls die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen durch den Liebesentzug der Linken vorzeitig platzt, könnten es sogar acht sein. Deutschland im Wahlkampfrausch. Mit diesem Befund verbinden sich große Erwartungen, aber auch manche Befürchtungen. Je nach politischer Couleur. Und wenn das Bundestagswahljahr 2013 auch weit entfernt ist, ein paar Vorzeichen darauf könnte es bereits in den kommenden zwölf Monaten geben.Das betrifft zuallererst die politischen Durchsetzungsfähigkeit von Schwarz-Gelb. Wenn es bei den anstehenden Urnengängen für Angela Merkel schlecht läuft, muss sich die Kanzlerin im Bundesrat auf eine geballte Blockade ihrer Politik einstellen. Ein zarter Vorgeschmack darauf ist das gegenwärtige Tauziehen um die Hartz-IV-Reform. Dabei hat das schwarz-gelbe Bündnis eigentlich schon genug mit sich selbst zu tun. Selbst wenn die Union wieder stärker Tritt fast, weil ihr Merkel gerade die Verwechselbarkeit mit der Sozialdemokratie austreibt, so trübt der Absturz des liberalen Koalitionspartners auch das Ansehen von CDU und CSU. Eine angeschlagene FDP ist eine Belastung für die gesamte Koalition. Auch ein Wechsel an der Parteispitze könnte an ihrer Unberechenbarkeit so schnell nichts ändern, denn ein Nachfolger Guido Westerwelles müsste sich erst akklimatisieren. Am Ende zwingen die liberalen Verwerfungen Merkel womöglich zu einer größeren Kabinettsumbildung, was nicht nach ihrem Geschmack wäre.

SPD, Grüne und Linkspartei können angesichts solcher Szenarien frohlocken. Doch auf den Oppositionsbänken ist auch nicht alles Gold. Höchst wahrscheinlich dürfen sich die Sozialdemokraten über einen gelungenen Wahlauftakt freuen. Der Urnengang in Hamburg Ende Februar ist für die SPD eine ziemlich sichere Bank. Je mehr die Genossen aber wieder in die Erfolgsspur kommen, desto größer ist die Gefahr, dass die inhaltliche und persönliche Konkurrenz zwischen Partei- und Fraktionschef zu Tage tritt. Bislang bilden Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier eine Notgemeinschaft, um den Sozialdemokraten über das größte Desaster ihrer jüngeren Geschichte hinwegzuhelfen. Damit könnte bald Schluss sein, zumal niemand so recht weiß, wofür die SPD eigentlich noch inhaltlich steht. Die Grünen wiederum schicken sich an, von der Rolle des Kellners in die des Kochs zu wechseln. Doch bislang beruht diese Wahrnehmung ausschließlich auf Stimmungen. Das Wahljahr 2011 wird zeigen, ob daraus tatsächlich Stimmen werden können. Zumindest in Berlin scheinen die Grünen an Strahlkraft zu verlieren, je näher der Wahltermin rückt. Genauso verhielt es sich übrigens schon bei den letzten beiden Bundestagswahlen. Und die Linken? Sie sind zum Scheinriesen geworden und kämpfen mehr denn je gegen sich selbst. Ost-Reformer gegen West-Revoluzzer, Pragmatiker gegen Sektierer. Eine ernsthafte politische Alternative sieht anders aus.

Sorgenfrei ist also keine Partei. Obendrein droht ein politischer Stillstand, weil die Regierung bei kaum einer wichtigen Entscheidung an der Länderkammer vorbei kommt. Und weil jede Position auf ihre Wahlkampftauglichkeit abgeklopft werden dürfte. Das befördert nicht eben eine Kompromissfindung, wie sie zur Demokratie zwingend gehört.

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