Hoffen auf bessere Zeiten

Die Karnevalszeit ist gestern mit dem Aschermittwoch zu Ende gegangen. Das äußere Bild der Umzüge und Prunksitzungen unterschied sich kaum von früheren Jahren. Es durfte gespottet, gefeiert, viel getrunken und gelacht werden.

Nur, dass einem das Lachen in diesem Jahr manchmal im Halse stecken blieb. Dass manche Witze ungesagt und manche Motivwagen ungezeigt blieben. Und in Braunschweig ein Umzug wegen akuter Terrorgefahr nicht stattfinden konnte.

Es hat sich in diesem Jahr das Gefühl von etwas Unpassendem in das Alleh hopp, das Helau und den Tusch geschlichen, der Sinn war nicht immer froh. Die Bilder von der Massenhinrichtung von Christen am libyschen Strand des Mittelmeeres gingen auch im größten Rausch nicht richtig weg. Und die Kriegsszenen aus einem Land gleich nebenan auch nicht. Nur gut 800 Kilometer ist die östlichste deutsche Karnevalshochburg Cottbus von der westlichsten Stadt des Kriegslandes Ukraine, Lwiw, entfernt. Sie liegt näher an der Lausitz als das baden-württembergische Lörrach . Vorgestern spielte der FC Bayern München in Lwiw Fußball gegen die ausquartierte Mannschaft des gerade in Schutt und Asche fallenden Donezk. Auch da war etwas Unwirkliches zu spüren im Stadion.

Die traditionellen Aschermittwochskundgebungen der Parteien fielen gestern ebenfalls anders aus als gewohnt. Die billigen Witzchen über die jeweilige Konkurrenz, die Polemiken und die Selbstbeweihräucherung - es gab das alles zwar, aber zurückhaltender. Eine Bundeskanzlerin, die morgens ratlos registrieren muss, dass der von ihr ausgehandelte Waffenstillstand in Debalzewe gnadenlos von den Separatisten und den Russen zerschossen wird, und die abends, wie jedes Jahr, vor einem bierseligen Publikum in Demmin reden soll - das ist das Sinnbild der Absurdität.

Andererseits: Das Leben geht weiter, muss weiter gehen. Feiern war in diesem Jahr häufig auch trotziger Protest gegen die Gewalt. Wir lassen uns unser Leben von denen nicht kaputtmachen, jetzt erst recht, war vielfach die innere Motivation. Hier und da wurde etwas abgesagt, eine Sicherheitsvorkehrung erhöht, blieb ein Wagen aus Angst im Hangar. Das war's bisher in Deutschland, Gott sei Dank. Davon geht die Welt nicht unter. Aber es zeigt trotzdem, dass die Konflikte näher rücken.

Viele Menschen in Deutschland haben seit Weiberfastnacht für ein paar Stunden und Tage abgeschaltet, und das war auch gut so. Aber Stimmung und Lage stimmten nicht überein, es war nicht so unbeschwert wie sonst. Und deshalb ist es ebenso gut, dass die Karnevalssaison jetzt vorbei ist. Hoffen wir auf bessere Zeiten 2016.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort