Höhenflug der FDP kommt vielen Liberalen zu früh

Berlin. Auf den ersten Blick geht es der FDP so gut wie nie. An fünf Landesregierungen ist sie beteiligt, in den Umfragen kommt sie ihrem Traumziel von 18 Prozent sehr nahe. Schwarz-Gelb nach der nächsten Bundestagswahl mit vor Kraft strotzenden Freidemokraten ist derzeit keine Illusion. Doch wer in diesen Tagen mit Liberalen spricht, vernimmt auch etwas anderes als Jubelgesang

Berlin. Auf den ersten Blick geht es der FDP so gut wie nie. An fünf Landesregierungen ist sie beteiligt, in den Umfragen kommt sie ihrem Traumziel von 18 Prozent sehr nahe. Schwarz-Gelb nach der nächsten Bundestagswahl mit vor Kraft strotzenden Freidemokraten ist derzeit keine Illusion. Doch wer in diesen Tagen mit Liberalen spricht, vernimmt auch etwas anderes als Jubelgesang. Der hört Besorgnis: "Das kommt zu früh", sagen viele in der Westerwelle-Partei.Politik ist Wellenbewegung, heute oben, morgen unten, und manchmal weiß man nicht genau, warum. Die Liberalen indes wissen nur zu gut, dass sie ihren demoskopischen Höhenflug der Unzufriedenheit des CDU-Klientels zu verdanken haben. FDP-Chef Guido Westerwelle ist nach Kräften darum bemüht, vergrätzte Unionswähler mit marktwirtschaftlichen Bekenntnissen anzulocken und zu halten. Auch bei anderen Themen will er sich durch klare Distanz zur Union profilieren: in der Rechts- und Innenpolitik oder etwa in der Bildungspolitik, wo die FDP große Chancen für sich sieht. Außenpolitisch hat der selbsternannte Außenminister in spe das Thema Abrüstung für sich entdeckt. Dass Westerwelle angesichts hervorragender Umfragen vorgezogene Neuwahlen fordert, ist der Versuch, die Gunst der Stunde zu nutzen. Der Strom der von der Union Enttäuschten kann in den sechs Monaten bis zur Bundestagswahl eben auch wieder versiegen. "Darauf müssen wir uns einstellen", sorgen sich Liberale. In der Wählergunst dürfte es bergab gehen, wenn sich die Union wieder fängt, Angela Merkel ihre Strategie ändert, Kante zeigt und zum Angriff gegen die SPD bläst statt zum Kuscheln. Dann werden sie sich wieder reflexartig hinter ihre Kanzlerin scharen. Das war immer so. Um die FDP möglichst auf zweistelligem Umfrage-Niveau zu halten, braucht es also mehr als nur geschliffener, marktfreundlicher Westerwelle-Rhetorik. In der Partei macht sich die Erkenntnis breit, dass auch die Liberalen überzeugendere Antworten zur Bewältigung der Folgen der Krise benötigen, je näher der Wahltermin im September rückt. "Allein Steuersenkungen zu fordern, reicht auf Dauer nicht", sagt einer.Gestern wollte die FDP daher damit beginnen, sich im Vorwahlkampf vor allem ein eigenes und nicht nur ein von der Union geliehenes Profil zu geben. "Wir streben eine Wirtschafts- und Sozialpolitik aus einem Guss an", tönte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bei der Vorstellung des Entwurfs für ein "Deutschlandprogramm", das nun mit jedermann im Internet diskutiert werden soll. Nach der Lektüre ist eines klar: Es handelt sich nicht um einen neuen Wurf, sondern um eine Begegnung mit vielen alten FDP-Bekannten: So der Forderung nach einem dreistufigen Steuerkonzept, das die Bürger um 30 bis 35 Milliarden Euro entlasten soll. Schon 2005 zogen die Freidemokraten mit dieser Idee in den Wahlkampf. Wie zugleich die astronomische Staatsverschuldung eingedämmt werden kann, bleibt weitgehend offen. Die "aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten" seien berücksichtig worden, betonte Niebel. "Es gilt, nicht möglichst viele Regeln zu haben, sondern möglichst gute." Kernforderung ist die Bildung eines "Re-Privatisierungsrates", um "wieder aus der Staatswirtschaft aussteigen" zu können. 80 Seiten stark ist der Programmentwurf, aber lediglich zwei Seiten widmen sich der Krisenbewältigung. Angesichts des Umstands, dass sich die Abstiegsängste inzwischen bis in die bürgerliche Mitte und somit auch beim FDP-Wähler breit machen, ist das ein bisschen dürftig.

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