US-Demokraten Favorit Biden schwächelt, Kamala Harris trumpft auf

Miami · Joe Bidens Pult steht genau in der Mitte. Den zentralen Platz auf der Bühne in Miami hat er sich verdient, weil er die Bewerberumfragen der Demokraten mit großem Vorsprung anführt. Das aber könnte sich in absehbarer Zeit ändern, denn bei seiner Debattenpremiere macht er keine gute Figur.

 Die Demokraten-Kandidaten Joe Biden und Kamala Harris.

Die Demokraten-Kandidaten Joe Biden und Kamala Harris.

Foto: dpa/Wilfredo Lee

Ob er zu alt, zu fahrig, zu sehr aus der Übung gekommen ist, um 2020 im Duell gegen Donald Trump zu bestehen: Solche Fragen werden nun deutlich lauter gestellt nach einem Abend, an dem der 76-Jährige nicht souverän genug wirkte, um die zu erwartenden Spitzen seiner Partei­freunde zu parieren.

So erinnert ihn Bernie Sanders, der linke Senator aus Vermont, an das Parlamentsvotum vor dem Irakkrieg, bei dem auch Biden grünes Licht für den Einmarsch gab. Wirklich in Verlegenheit aber stürzt ihn Kamala Harris, die kalifornische Senatorin, die zwar von Anfang an zum Favoritenkreis gehörte, aber in der Frühphase des Rennens nicht richtig in Schwung zu kommen schien.

Als einzige Schwarze auf dieser Bühne wolle sie über das Problem des Rassismus reden, schaltet sie sich ein, als es um Polizeigewalt gegen Afroamerikaner geht. Dann spricht sie Biden direkt darauf an, dass er seine Kooperation mit zwei radikalen Senatoren aus den Südstaaten einst als Beispiel für seine Fähigkeit zum Kompromiss herausstellte. „Ich glaube nicht, dass Sie ein Rassist sind“, sagt Harris. Aber zu hören, wie freundlich er über Anhänger der Segregation gesprochen habe, das sei für sie etwas Persönliches – und Verletzendes – gewesen. Der junge Parlamentarier Biden habe es abgelehnt, die US-Regierung intervenieren zu lassen, wenn sich lokale Verwaltungen weigerten, Bustransporte zu organisieren, damit schwarze Schüler – wie Harris damals – in bessere, traditionell weiße Schulen gebracht werden konnten.

Es ist ein Moment, der Biden nicht gut aussehen lässt. Statt zu erwidern, dass er im Laufe der Jahre dazugelernt habe, verteidigt er sich mit einem Argument, das auch die Bewahrer des Status quo gern benutzten, wenn sie sie sich gegen die von den Bürgerrechtlern erzwungenen Veränderungen stemmten. Er sei nicht gegen das „Busing“ gewesen, wohl aber dagegen, dass der Bund lokalen Behörden Auflagen machte. Einen Mann, der Barack Obama, dem ersten US-Präsidenten mit dunkler Haut, acht Jahre lang als Stellvertreter diente, in Verbindung zu Rassisten zu bringen – Bidens Fans halten es für absurd. Der Wortwechsel zeigt aber auf, wo Bidens Schwachstellen liegen. Und Kamala Harris hat den Finger in die Wunde gelegt.

Die Kandidatendebatten im Fernsehen haben gezeigt: Der Richtungsstreit bei den US-Demokraten ist voll entbrannt. Die Partei ficht nicht nur aus, wen sie im Herbst 2020 in den Zweikampf gegen Donald Trump schicken will. Folgt sie dem Pragmatismus der Mitte, wie ihn Bill Clinton und Barack Obama praktizierten, zieht sie vielleicht mit besseren Chancen ins Finale, als es mit der linken Agenda einer Elizabeth Warren oder eines Bernie Sanders der Fall wäre. Zumindest in den Küstenmetropolen aber schlägt das Herz ihrer Basis so eindeutig links wie lange nicht.

 Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden (l-r), Senator Bernie Sanders und Senatorin Kamala Harris, bei der zweiten Debattenrunde am Donnerstagabend.

Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden (l-r), Senator Bernie Sanders und Senatorin Kamala Harris, bei der zweiten Debattenrunde am Donnerstagabend.

Foto: dpa/Wilfredo Lee

Und Biden? Sicher wäre es vermessen, von einer Schwächephase auf den Rest des Rennens zu schließen. Setzt sich die Pannenserie indes fort, ließe es nur den Schluss zu, dass das Wahljahr 2020 einfach zu spät kommt für den Veteranen, der 2016 nach dem Krebstod seines Sohnes nicht die Kraft fand, anzutreten. Darin läge eine große Portion Tragik, denn damals wäre Biden, der Arbeiter-Versteher mit volksnaher Sprache, wohl der Richtige gewesen gegen Donald J. Trump.

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