Historischer Händedruck und viele offene Fragen
Panama · Das Treffen von Amerikas Staats- und Regierungschefs , das heute in Panama beginnt, verdient durchaus das Siegel historisch. Denn zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren werden beim Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Kuba und die USA an einem Tisch vertreten sein.
Die Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro werden sich die Hand geben und gemeinsam über Themen wie Drogen, Armut und Wirtschaft in Lateinamerika diskutieren. Nicht wenige politische Beobachter hielten so etwas für unmöglich, solange in Kuba die Castros an der Macht sind. Washington hatte 1962, drei Jahre nach der Revolution, den Ausschluss Havannas aus der OAS bewirkt. Und erst 2009 entwickelten die Staaten Lateinamerikas genügend Selbstbewusstsein, um den Rausschmiss rückgängig zu machen.
So überstrahlt denn die historische Annäherung der beiden früheren Erzfeinde das zweitägige Spitzentreffen. Wobei die Gespräche jüngst ins Stocken gerieten: Die Tatsache, dass Washington Kuba noch immer auf einer Liste der Terror-Unterstützer führt, verärgert Havanna. Deshalb gelang es nicht, noch vor dem Gipfeltreffen wechselseitig Botschaften zu eröffnen. Auch Fortschritte während der Konferenz erscheinen eher unwahrscheinlich. Ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Obama und Castro stehe nicht auf der Agenda, erklärte die US-Chefunterhändlerin Roberta Jacobson.
Überhaupt findet das Treffen in unruhigen Zeiten statt. Zum einen hat sich der Konflikt zwischen Venezuela und den USA verschärft, nachdem Washington das südamerikanische Land zur nationalen Bedrohung erklärte und Sanktionen gegen sieben Funktionäre verhängte. Der Protest linker und linksliberaler Staaten folgte auf dem Fuß. Denkbar also, dass der Konflikt das Treffen dominiert, denn Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wird versuchen, die lateinamerikanischen Reihen gegen die USA zu schließen. Interessant ist dabei die Frage, wie sich die kubanische Delegation verhält.
Zudem stecken die Führungsnationen Argentinien, Brasilien und Mexiko in der Krise. Der mysteriöse Tod des argentinischen Staatsanwalts Alberto Nisman, der Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras in Brasilien und die Menschenrechtsverletzungen in Mexiko treiben die Menschen gegen die Regierungen auf die Straße. Keiner der drei Großen taugt derzeit als Taktgeber oder Vorbild für die Region.
Bei dem Treffen werden die Staats- und Regierungschefs zudem Strategien beraten müssen, wie der Wirtschaftsabschwung und die allmählich wieder zunehmende Armut zu stoppen sind. Die Boom-Jahre, vor allem bedingt durch Asiens Rohstoffhunger, sind vorerst vorbei. Dieses und nächstes Jahr wird die Region nur um rund ein Prozent wachsen - deutlich unter dem globalen Niveau von geschätzten 3,8 Prozent. Lateinamerika habe den Aufschwung nicht genutzt, um strukturelle Mängel zu beseitigen, kritisiert Alicia Bárcena, Chefin der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik. Noch immer leben 167 Millionen Menschen und damit 28 Prozent der Lateinamerikaner in Armut, das sind genauso viele wie vor zwei Jahren. Und noch immer arbeiten 60 bis 70 Prozent der Latinos im informellen Sektor. Das bedeutet, dass sie keine Steuern zahlen - und keinen sozialen Schutz genießen.