Hillary macht's jetzt wie Trump

Wer auf wegweisende Aufschlüsse zur künftigen Außen- und Sicherheitspolitik von Hillary Clinton für den Fall ihres Wahlsiegs gewartet hatte, sah sich enttäuscht. Die mit viel Tamtam annoncierte Grundsatzrede in Kalifornien wurde vielmehr zu einer einzigen Abrechnung mit Donald Trump . Die fiel jedoch rhetorisch brillant wie gnadenlos aus - wobei die frühere First Lady den Republikaner als mental instabil, impulsiv, unberechenbar, unerfahren und als Gefahr für den Frieden und die Sicherheit der USA darstellte.

In der Tat hat Trump mit seinen bisher oft wirren Aussagen jede Menge Indizien für diese Diagnose geliefert. Seine Sympathie für Diktatoren oder seine Unbekümmertheit zur Weiterverbreitung von Nuklearwaffen müssen jeden rational denkenden Menschen jedenfalls beängstigen.

Die Frage aller Fragen ist jedoch weiter, ob die Frontalsalven Clintons Wirkung bei jenen erzielen, die sich hinter den Populisten geschart haben oder noch damit liebäugeln. Das Phänomen war bisher, dass die Popularität Trumps proportional zur Schärfe und zum Umfang der Attacken stieg. Amerikas nicht unbeträchtliche Zahl an "Wutbürgern" scheint Logik und Fakten als zweitrangig zu betrachten. Hauptsache, es geht gegen das Establishment in Washington, zu dem die Trump-Fans natürlich auch die verhassten Clintons und die an Skandalen nicht arme Hillary zählen. Das macht den Versuch der Demokraten, dem Gegner den Weg ins Weiße Haus mit einer sachlichen Debatte zu verbauen, so schwer.

Hinzu kommt, dass bei einem rein auf die Errungenschaften Clintons reduzierten Wahlkampf schnell die Argumente ausgehen dürften. Sicher: Hillary saß mit im "Situation Room", als Obama den umstrittenen Bin-Laden-Tötungsauftrag gab. Und Clinton stärkte ihm dabei den Rücken. Doch dass sie einst Syriens Diktator Assad bei einer Kongressanhörung als "Reformer" bezeichnete, hängt ihr bis heute nach. Auch trägt sie Mitverantwortung für die Lage im Irak, die das Erstarken des IS begünstigte und die Instabilität der Region förderte. Der viel propagierte "Neustart" mit Moskau, den Clinton als Obamas Chefdiplomatin herbeiführen sollte, endete in einer Sackgasse. Und auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wurde nicht entschärft.

Diese magere Bilanz, gepaart mit den persönlichen Fragwürdigkeiten der Multimillionärin und ihrer Nähe zur Wall Street, erklärt das Dilemma vieler Wähler. Ein Großteil traut weder Hillary noch Trump über den Weg. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, dürfte Clinton mit an Substanz schwachen Brandreden wie jetzt in San Diego schwerfallen. Am Ende könnte nur zählen, wer den anderen besser beleidigen kann. Für die Großmacht USA ist eine solche Reduzierung der Politik auf Schläge unter die Gürtellinie wenig ehrenvoll.

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