Hillary Clinton hat dazugelernt

Man kann Hillary Clintons heutige Reden eigentlich nur vor dem Hintergrund des Wahlduells 2008 verstehen. Damals gab sie die erfahrene Managerin der Politik, die sich mit den Mechanismen der Macht bestens auskennt und aus eigener Anschauung weiß, wie hart das Leben im Weißen Haus sein kann, zu hart für einen Neuling wie Barack Obama .Was fehlte, war ein Leitmotiv.

Der zündende Funke. Es fehlte etwas Aufrüttelndes von der Art, wie es Obama skizzierte, indem er über alle Gräben hinweg die Wiedervereinigten Staaten von Amerika beschwor. Und während der Außenseiter die Herzen im Sturm eroberte, indem er facettenreich aus seiner Biografie erzählte, zog es die Favoritin vor, ihre Familiengeschichte weitgehend auszublenden.

Clinton II, wie sie sich zu Beginn des Wahlmarathons 2016 präsentiert, hat daraus ihre Lehren gezogen. In ihrer ersten Kampagnenrede war alles einer einzigen Leitmelodie untergeordnet. Dem Wiederaufstieg der Mittelschichten. Der Warnung vor einem Amerika, das sich in die soziale und wirtschaftliche Sackgasse begibt, wenn es die Schere zwischen Großverdienern und dem großen Rest der Gesellschaft immer weiter aufgehen lässt. Unter einer Präsidentin Clinton soll sich der Trend umkehren, auch wenn die Kandidatin Clinton einstweilen nur in groben Umrissen skizziert, was sie konkret gegen die wachsende Ungleichheit zu tun gedenkt.

Mit der Art, wie sie die Akzente setzt, reagiert sie zumindest auf einen Trend, den in der eigenen Partei. Die Demokraten sind nach links gerückt, ihre Seele wärmt die Senatorin Elizabeth Warren, die sich auf die Fahnen schreibt, die Wall Street nach ihren Exzessen in die Schranken zu weisen. Ein altlinker Veteran wie Bernie Sanders, der sich ums Oval Office bewirbt, obwohl er keine Chance hat, spricht vor so vollen Häusern, dass der Frau an der Spitze des Kandidatenreigens schon ein wenig bang werden muss. Und bevor es ins Finale gegen den Bewerber der Republikaner geht, muss Clinton bekanntlich den Ausscheid in den eigenen Reihen gewinnen.

Dass sie plötzlich an die bittere Kindheit ihrer Mutter erinnert, liegt aber auch an den ungeschriebenen Gesetzen amerikanischer Wahlkämpfe, die sie 2008 noch weitgehend zu ignorieren versuchte. Wer mit Persönlichem geizt, läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten, so tickt dieses Land nun einmal. Umso besser, wenn die Geschichten von schweren Anfängen und harter Arbeit, von Rückschlägen und Comeback handeln. Clintons Botschaft ist die: Sie kann ein Champion der einfachen Leute sein, weil sie selbst aus einfachen Verhältnissen stammt, obwohl sie seit über zwei Jahrzehnten in der Chefetage des politischen Establishments sitzt.

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