Hessische Wahrheiten ohne Fukushima-Effekt

Wiesbaden. 447 Kommunen gibt es in Hessen zwischen Heppenheim und Bad Karlshafen. Finanzen und politische Kräfteverhältnisse sind sehr unterschiedlich. Doch im aktuellen Kommunalwahlkampf hat die Flüchtlingspolitik vielerorts die lokalen Themen wie Verkehrsprobleme, Wohnungspolitik, Kita-Gebühren oder Schulsanierungen in den Schatten gestellt.

Davon könnte bei der Wahl am Sonntag vor allem die AfD profitieren. Deren Abschneiden eine Woche vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird deshalb über Hessen hinaus aufmerksam verfolgt. Zugleich ist die Kommunalwahl immer auch ein Stimmungsbarometer für die schwarz-grüne Landesregierung.

Gegen die überlagernden bundes- und weltpolitischen Probleme haben es die Parteien mit Vor-Ort-Themen schwer. Umso mehr setzen sie auf Personalisierung und die Sympathiewerte ihrer Kandidaten. Das erwartete gute Abschneiden der AfD dürfte ein Grund dafür sein, dass die im Landtag vertretenen Parteien die landesweite Bedeutung der Kom munalwahl herunterspielen. Alle haben sich jedoch mit Blick auf Kooperationen nach der Wahl klar von den Rechtspopulisten abgegrenzt. Die "Alternative für Deutschland " tritt erstmals in allen kreisfreien Städten, 15 weiteren Gemeinden und 20 von 21 Landkreisen an. Im Windschatten ihrer bundesweiten Umfragewerte will die Partei am Sonntag ein zweistelliges Ergebnis erreichen.

Stärkste kommunalpolitische Kraft will aber erneut die CDU werden, die mit dem Slogan "Lebendiges Hessen. Hier sind wir zuhause" wirbt. 2011 hatte sie landesweit 33,7 Prozent der Stimmen erhalten. Inhaltlich setzt die CDU bei der Kommunalwahl stark auf die Themen innere Sicherheit, Kommunalfinanzen und Wirtschaftspolitik.

Die SPD , die vor fünf Jahren 31,5 Prozent verbuchte, hofft vor allem auf eine politische Wende in Frankfurt. Seit vier Jahren stellen die Sozialdemokraten dort mit Peter Feldmann wieder den OB, jetzt soll auch der schwarz-grüne Magistrat nach zehn Jahren gekippt werden. Dafür muss sich die SPD , die 2011 nur rund 21 Prozent erhielt, aber gewaltig steigern. In Hessens zweitgrößter Stadt Wiesbaden erhofft sich die SPD Rückenwind durch ihren jungen Oberbürgermeister Sven Gerich. Im Rathaus regiert eine große Koalition.

Die Grünen, die 2011 massiv von der Atomreaktor-Katastrophe in Fukushima profitierten, könnten in ihrer traditionellen Hochburg Frankfurt einen schweren Rückschlag erleben. Eine Umfrage sagte ihnen vor einigen Wochen einen Einbruch um gut acht Punkte auf 17 Prozent voraus. Landesweit hat Parteichef Kai Klose die Latte für seine Partei sehr hochgelegt: Die 18,3 Prozent, die die Grünen 2011 mit Hilfe von Fukushima einfuhren, will er mindestens halten.

Die Linke sieht sich nach Umfragen derzeit vor allem in Städten wie Frankfurt, wo die Wohnungsnot drückt, ebenfalls im Aufwind. 2011 war die Partei erstmals landesweit angetreten und hatte 3,3 Prozent der Stimmen erzielt. Für die FDP geht es darum, möglichst nicht unter ihr Ergebnis bei der letzten Kommunalwahl von 3,9 Prozent zu fallen.

Die Wahlbeteiligung lag vor fünf Jahren im Schnitt bei nur 47,7 Prozent. Mit Spannung wird beobachtet, ob sie weiter sinkt. Erstmals dürfen am Sonntag die in Hessen lebenden Kroaten als neue EU-Bürger mitwählen.

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