Her mit den Brechern

Gegen gute Freunde kann man mal verlieren. Natürlich waren die Deutschen die bessere Mannschaft. Der 2:0-Sieg der Franzosen war unverdient. Aber das sollten wir aushalten können. Wie oft haben wir grundlos gewonnen? In den dunklen Jahren des deutschen Fußballs? Als unsere Spieler Schnurrbärte trugen und keine Schienbeinschoner. Ungestalt war der deutsche Fußball. Und hatte Erfolg. Manchmal zumindest. Gegen die damaligen Schöngeister aus Frankreich immer. Außer 1958.

Sowieso: Erfolg haben bei dieser EM Mannschaften, die unansehnlich spielen. Defensiv. Zerstörerisch. Auf Konter lauernd. Wenig in die Offensive investieren, dennoch viel gewinnen. Frankreich trifft am Sonntag auf Portugal im Finale. Dabei haben die Iberer gegen Polen das hässlichste Spiel der EM abgeliefert, haben vier Mal in der regulären Spielzeit nur remis gespielt. Erfolgreich. Nicht wie die Deutschen, die schöngeistig und systemsicher spielen, denen aber eines fehlt: Stürmer, die die Kugel schnörkellos versenken. Wir haben keinen Ronaldo, Griezmann oder Giroud. Nur Gomez. Zuvor Klose - gefühlte hundert Jahre.

Deutschland hat ein Stürmerproblem. Ein hausgemachtes. Als der DFB vor 16 Jahren die Abkehr vom unschönen Ergebnis-Schnurrbart-Kampf-Fußball mit einer Revolution der Nachwuchsförderung einleitete, wollten die Deutschen ihn nicht mehr: den Brecher, den Torjäger. Gomez wirkte im Tiki-Taka-Land wie ein Fossil, als es nun gegen Frankreich fehlte, merkte jeder, was dem deutschen Spiel abgeht: Durchschlagskraft. Das wird Trainer Löw akzeptieren - und der DFB muss es abarbeiten.

Ob die Zeit bis zur WM in Russland reicht? 2018 werden dort 40 Mannschaften spielen. Eine depperte Idee ist dies. Genau wie die, bei dieser EM 24 Mannschaften starten zu lassen. Das fördert zwar den Fußballhype in Ländern wie Island. Letztlich fördert die Idee in Vorrunden Ergebnisfußball. Es ist nahezu wichtiger, weniger Tore zu kassieren, als zu gewinnen. Die Tore fielen - wenn überhaupt - sehr spät. Daher war diese EM in der Vorrunde stinklangweilig.

Dazu zehrt die Spiel-Inflation an den Kickern. Doch dies wird niemand ändern. Spätestens, wenn Spieler mit 30 mentale und körperliche Krüppel sind, wenn Zuschauer bei Spielen im TV wegschalten, wird es Funktionären auffallen. Bis dahin werden sie viel Geld verdienen.

Was uns positiv stimmen kann, sind drei Dinge: Das Saarland hat Jonas Hector, wir sind immer noch Weltmeister und wir hatten die jüngste Mannschaft im Turnier. Dennoch sollten wir lernen, dass Sätze mit den Worten "Potenzial" und "jung" zwar richtig sind, aber keine Versprechen enthalten. Sie können fernab der Emotionen nur eines: Chancen umreißen. Scheitern gehört dazu. Noch so eine Lehre aus der EM bei unseren Freunden.

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