Heldentat sucht Nachahmer

Kennen Sie Renzo Simoni, Oliver Bratschi, Marco Ceriani und Josef Elmiger? Nein? Spätestens ab heute, wenn der Gotthard-Basistunnel eröffnet wird, sind diese Bauingenieure und Diplomphysiker in der Geschäftsleitung der Alptransit Gotthard AG die neuen Helden unserer Zeit. Sie und ihre 2400 Kollegen haben es in 17 Jahren geschafft, den mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt zu bauen - unter dem Gebirgsmassiv der Alpen hindurch. Der Jahrhunderttunnel ist eine Meisterleistung der Technik. Während es bei anderen technischen Großtaten, wie dem Mondflug der Amerikaner 1969, vor allem um nationales Prestige ging, steckt hinter dem 11,7 Milliarden teuren Bauwerk wirtschaftliches Kalkül, das jedoch - und das ist neu - mit dem Gedanken der Nachhaltigeit verknüpft ist. Es geht nicht nur um Schnelligkeit, um die effizienteste Art, Güter auf der Nord-Süd-Achse durch Europa zu befördern, sondern um eine Entlastung der Umwelt von Lärm und Abgasen. Auch und gerade deshalb hatten die Eidgenossen in Volksabstimmungen dem Durchstich zugestimmt.

Doch der zukunftsweisende Zündfunke des Erhalts einer lebenswerten Umwelt ist am heutigen Jubeltag in den Hintergrund getreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ), die unter den europäischen Honoratioren am Mundloch weilt, müsste sich in Grund und Boden schämen. Denn die Bundesfirma Deutsche Bahn AG tut derzeit alles, um den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße zu bringen. Da werden Güterbahnhöfe dicht gemacht, die DB rüstet ihre Lkw-Flotte auf und die vierspurige Gleisanbindung auf dem Hauptanschluss zum Gotthard von Karlsruhe bis Basel ist noch lange nicht gebaut. So schaffen die Schweizer, die mit gutem Grund das beste Bahnsystem der Welt mit den meisten Nutzern haben, zwar die besten Bedingungen, damit weniger 40-Tonner zwischen Rotterdam und Genua die Autobahnen verstopfen und die Umwelt mit Dieselruß verpesten. Doch die CDU /SPD-Bundesregierung, vertreten von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ), betreibt weiter eine Politik, die an die Zeiten des frühen Autorauschs erinnert.

Was tun die Mitglieder dieser Bundesregierung im DB-Aufsichtsrat eigentlich, um die Geschäftsführung von Rüdiger Grube zu kontrollieren?

So werden die Schweiz und alle anderen europäischen Länder noch Jahrzehnte warten müssen, ehe sich der Bau des Gotthard-Basistunnels den Zielvorstellungen entsprechend auswirkt. Hoffentlich dauert es nicht so lange wie das nächste Ziel der Raumfahrt nach der Mondlandung. Vor dem ersten Menschen auf dem Mars müssen die "Helden" in Berlin ihre Verkehrspolitik ändern. Damit die Schweizer nicht zu lange in die Röhre gucken.

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