Haftbefehl gegen Sudans Staatschef bleibt folgenlos

Den Haag. Zum ersten Mal hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt ausgestellt. "Ab sofort" wird der Präsident des Sudan, Omar al-Baschir (65), international gesucht

Den Haag. Zum ersten Mal hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt ausgestellt. "Ab sofort" wird der Präsident des Sudan, Omar al-Baschir (65), international gesucht. Er müsse "sobald wie möglich und praktikabel" festgenommen und dem Tribunal überstellt werden, sagte Silvana Abria, Registrarin des Gerichtes, gestern in Den Haag. Die Anklagepunkte: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Entscheidend aber ist dieser Satz: "Die Anklage umfasst nicht den Vorwurf des inszenierten Völkermordes."Damit haben die Juristen ihrem Chefankläger, dem Argentinier Luis Moreno-Ocampo (56), einen Korb gegeben, denn der hatte noch am Tag zuvor betont, mindestens 30 Zeugen könnten den schweren Vorwurf belegen. Der sudanesische Staatschef habe selbst eine Aktion zur Vernichtung dreier Volksstämme in Darfur gesteuert. Doch das Gericht war von der Haltbarkeit dieses Anklagepunktes nicht überzeugt.Schon seit Wochen polemisiert der Machthaber in Khartum gegen den erwarteten Haftbefehl aus Europa. Was in Den Haag geschehe, habe für ihn "keinen Wert", wiederholte al-Baschir immer und immer wieder bei seinen Auftritten. Zugleich versicherte er sich der Solidarität afrikanischer Mitstreiter: Etwa 37 Staaten des schwarzen Kontinents hatten angekündigt, dem Strafgerichtshof der UN die Anerkennung zu entziehen, falls man den Sudanesen wegen Völkermordes anklagen werde. Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sei nicht glücklich über die Verschärfung des Verfahrens gewesen, hieß es im Vorfeld. Die Uno betreibt in dem Land zwei Missionen mit 26 000 Soldaten, an die in Erwartung möglicher Unruhen bereits Alarmpläne ausgegeben worden waren.300 000 Menschen sind in der Provinz seit 2003 ums Leben gekommen, weitere 2,5 Millionen mussten fliehen. Regimetreue arabische Janjaweed-Reitermilizen terrorisieren die ansässige Bevölkerung. Mord, Vergewaltigung, Sklavenhandel sind an der Tagesordnung. Nach seiner Machtübernahme 1989 hatte al-Baschir den Sudan zunächst zu einem Zufluchtsort für international gesuchte Terroristen ausgebaut. Auch El-Qaida-Chef Osama bin Laden hielt sich zeitweise in Khartum auf.Der Haftbefehl gegen den Präsidenten dürfte aber zunächst folgenlos bleiben. Im New Yorker UN-Hauptquartier wurde am Mittwoch noch einmal bestätigt, dass die Blauhelme keinen Auftrag haben, al-Baschir festzunehmen. Sollte er allerdings in ein Land reisen, dass die Prinzipien des Internationalen Strafgerichtshofes anerkannt hat (neben dem Sudan haben dies auch China und die Vereinigten Staaten bisher nicht getan), muss der sudanesische Präsident mit seiner Festnahme rechnen.Die Führung in Khartum aber reagierte schon wenige Minuten nach dem Inkraftsetzen des Haftbefehls: Alle Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" wurden aufgefordert, die Region Darfur noch am selben Tag zu verlassen. Nicht nur in Darfur könnten die Fronten nach dem Haftbefehl noch verhärteter sein. Die Uno warnt, dass sich vom Sudan ausgerüstete Rebellen aus dem Tschad bereits an der Grenze zum Nachbarland sammeln. Analysten befürchten zudem, Khartum könne unter dem Vorwand der Unruhen den Notstand ausrufen und versuchen, sich die Ölquellen im Grenzgebiet des Südsudan zu sichern.

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