Groteske Gerichts-Show

War das nun die spektakuläre Wende im Prozess um die Gräueltaten des brauen Terrorkommandos NSU? Dass die einzige Überlebende des mörderischen Trios, Beate Zschäpe, ihr Schweigen nach mehr als zweieinhalb Jahren brach, kam in der Tat zuletzt unerwartet.

Aber was sie sagte, oder korrekter: sagen ließ, ist grotesk und weit davon entfernt, wirklich Licht in die dunklen Kapitel dieser komplexen Verbrechen zu bringen.

Es geht um nicht weniger als zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Es geht um das Leid der Hinterbliebenen, ihre Emotionen, ihre Wut und Fassungslosigkeit. Um den Versuch, mit dem schrecklichen Ausmaß an Gewalt und Menschenverachtung umzugehen. Doch alles, was die Angeklagte zu verkünden wusste, war, dass sie gar nicht Mitglied des NSU gewesen sei. Von den Untaten ihrer Kumpane Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt will sie, wenn überhaupt, erst im Nachhinein erfahren haben. Zschäpe inszenierte sich als dumme Nazi-Braut, hörig und hilflos, ohne Kraft, dem braunen Feldzug Einhalt zu gebieten. Dabei hätte ein Anruf von ihr bei der Polizei genügt, und die Mordserie wäre früher beendet gewesen.

Jenseits aller Betrachtungen über die Glaubwürdigkeit ihrer Darstellung stellt sich die Frage, warum Zschäpe diese Erklärung nicht schon 2013 abgegeben hat, als der Prozess in München begann. Die Antwort ist naheliegend: Mit der Strategie des Schweigens ist Zschäpe krachend gescheitert. Nach Dutzenden Zeugenbefragungen verdichteten sich die Indizien für das Gericht immer mehr, dass die Angeklagte nicht das Heimchen am Herd einer Terror-WG war, sondern durchaus ein Aktivposten in dem rechten Spuk. Mit ihrer Aussage hat Zschäpe keinen Gegenbeweis geliefert, sondern nur Schutzbehauptungen. Sie spekuliert auf Strafmilderung. Auch ihre späte Entschuldigung bei den Angehörigen ist wohl eher taktischer Natur. Welchen Wert sollte sie haben, wenn Zschäpe in all den Monaten davor keinerlei Zeichen der Reue zeigte - nicht einmal, als im Gerichtssaal großformatige Bilder der Opfer gezeigt wurden und Angehörige dort zutiefst aufgewühlt nach dem "Warum" fragten.

Die Strukturen und Netzwerke um den NSU sind indes weiter ungeklärt. Nach Zschäpes Aussage muss man den Eindruck gewinnen, es habe sich nur um verblendete Einzelkämpfer gehandelt. Doch da gab es den "Thüringer Heimatschutz ", in dem der NSU seine ideologische Basis fand. Eine Rolle spielte auch Thüringens Verfassungsschutz, der Böhnhardt und Mundlos als potenzielle V-Leute betrachtete - trotzdem konnte der NSU mehr als zehn Jahre lang ungestört ein Verbrechen nach dem anderen begehen. Dazu kein Wort von Zschäpe. Etliche Leute außerhalb des Gerichtssaals dürften daher gestern ganz zufrieden mit ihr gewesen sein.

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