Große Koalition des Klein-Klein

In Angela Merkels Haut möchte man in dieser Woche nicht stecken. Die Koalitionsverhandlungen befinden sich auf der Zielgeraden, und die Bundeskanzlerin trifft jetzt auf eine CSU, die nach ihrem Parteitag noch vehementer für ihre Forderungen eintritt.

Mit Blick auf die Einführung einer Pkw-Maut ist sie sogar schon vom bayerischen Triumphator Horst Seehofer gekonnt vorgeführt worden.

Obendrein sieht sich die CDU-Vorsitzende einer SPD-Spitze gegenüber, die vor ihren meuternden Mitgliedern wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange sitzt. Das macht die Genossen um Sigmar Gabriel auf den letzten Metern noch unberechenbarer. Vielleicht zieht der SPD-Chef sogar die Reißleine, um beim Mitgliederentscheid nicht selbst mit wehenden Fahnen unterzugehen. Unwahrscheinlich ist das nicht. Und Merkel? Seit Wochen reagiert die Kanzlerin nur noch, lässt sich ein ums andere Mal von der bayerischen Schwester CSU und der SPD inhaltlich abpressen, was sie im Wahlkampf für grundfalsch erachtet hat. Das nimmt ihr die eigene Basis bereits übel, die bei den Verhandlungen so gut wie keine Handschrift der CDU wahrnehmen kann. Es sind harte Tage für die Kanzlerin.

Bislang liegt sowieso kein Segen auf der schwarz-roten Suche nach Gemeinsamkeiten. In den letzten sieben Wochen haben sich die mutmaßlichen Koalitionäre einerseits im Klein-Klein des Wünsch-Dir-Was verloren, andererseits hinter Maximalforderungen eingemauert. Wie daraus bis zum kommenden Mittwoch ein schwarz-roter Koalitionsvertrag entstehen soll, der auch so etwas wie Aufbruch, eventuell sogar einen Plan für die Zukunft des Landes beinhaltet, wissen die Protagonisten nicht einmal selber. Es droht ein verpatzter Start. Aber das ist für die Kanzlerin nichts Neues: Vor vier Jahren war es mit der FDP ähnlich. Merkel ist es daraufhin gelungen, sich durch ihr europäisches Krisenmanagement von ihrem Bündnis daheim abzusetzen. Da die Kanzlerin, dort die Gurkentruppen der Koalition. Sollte die große Koalition nun wirklich Realität werden, wird Merkel diese Form der künstlichen Distanz kaum herstellen können. Denn die SPD wird im Würgegriff ihrer missmutigen Ortsvereine ein Partner im permanenten Oppositions-Modus sein, der nur darauf wartet, der Kanzlerin zu trotzen.

Hilfreich wäre es, wenn Merkel, Seehofer und Gabriel vielleicht doch noch ihre Parteibunker verlassen und die große Koalition als das begreifen, was sie eigentlich ist: eine Chance, zukunftsträchtige Reformentscheidungen für das Land zu treffen. Tabus müssten dann aber gebrochen und die aufgebauten Selbstblockaden von den Parteivorsitzenden beiseite geräumt werden. Allerdings scheint es dafür längst zu spät zu sein.

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