Griechische Wahrheiten

Dass Griechenland Vertrauen verspielt, massiv an Glaubwürdigkeit verloren und sich nicht als seriöser Verhandlungspartner erwiesen hat - all das bekam die Athener Führung in den vergangenen Wochen oft genug zu hören.

Im Umfeld von Ministerpräsident Alexis Tsipras fühlt man sich deswegen von der Euro-Familie und den internationalen Investoren ungerecht behandelt. Das mag so sein. Aber bisher ist auch nicht erkennbar, dass in Athen aus dieser Situation Konsequenzen gezogen wurden. Das wäre einfach gewesen, wenn man Transparenz geschaffen hätte. Aber der wochenlange Schlingerkurs der griechischen Führung mit sich widersprechenden Äußerungen diverser Kabinettsmitglieder ist zu einem erheblichen Teil schuld an dem aktuellen Desaster. Dass die hellenischen Unterhändler in Brüssel nun langsam konkret werden und sogar auf erste Beschlüsse und Erfolge verweisen können, sei ihnen zugestanden. Man möchte es ja auch so gerne glauben. Aber warum ließ man ausgerechnet die, die helfen wollten, so lange warten, verprellte sie und war nicht bereit, den Kontrolleuren zu sagen: Kommt her, wir zeigen euch, was wir anpacken?

Die wirtschaftsphilosophische Grundsatz-Analyse von Finanzminister Gianis Varoufakis über die Frage, ob Sparen oder Investieren die Ökonomie ankurbelt, scheint durchaus interessant. Aber für theoretische Spielereien bleibt angesichts akuter Zahlungsnot keine Zeit mehr. Athen muss liefern, nachweisen und kooperieren. Wenn dann die Kuh vom Eis ist, kann man überlegen, ob die Rettung effizient war - und es im nächsten Schritt besser machen.

Dabei kämpfen Tsipras und seine Koalitionäre ja keineswegs nur gegen die Eurogruppe und deren Forderungen. Die Athener Führung weiß auch, dass man das Rentensystem reformieren, die Privatisierungen im Land zumindest teilweise anpacken und Korruption sowie Steuerhinterziehung beseitigen muss. Aber sie wird eben auch ahnen, dass die dazu nötigen Maßnahmen so massiv und tief greifend in bisherige Lebensumstände der Menschen einschneiden werden, dass es leichter erscheint, die Euro-Familie und insbesondere die Bundeskanzlerin und den Bundesfinanzminister als Popanz aufzubauen. Mit einem Feindbild lässt sich ein geschundenes Volk leichter vereinen als mit der Wahrheit. Dass diese bitter ist, werden die Griechen in den nächsten Wochen und Monaten erfahren. Die staatlichen Grausamkeiten werden ihnen nicht erspart bleiben. Aber nicht weil Deutschland es so anordnet oder die Eurogruppe Griechenland in die Knie zwingen will, sondern weil die hellenischen Regierungen der vergangenen Jahre den Staat ausgenommen und die Bürger (dabei) fleißig mitgemacht haben. Das muss in der Tat zu Ende sein.

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