Gefährliche Friedenssuche

Meinung · Wer unter den Friedensfreunden in Nahost und andernorts würde nicht prinzipiell für einen direkten Dialog von Israelis und Palästinensern eintreten, wie er jetzt in Washington aufgenommen wird? Gegenseitiger Boykott führt zu nichts. Verhandlungen nur um der Verhandlung willen sind aber ein gefährliches Spiel. Ein Spiel, für das Menschen mit dem Leben bezahlen

Wer unter den Friedensfreunden in Nahost und andernorts würde nicht prinzipiell für einen direkten Dialog von Israelis und Palästinensern eintreten, wie er jetzt in Washington aufgenommen wird? Gegenseitiger Boykott führt zu nichts. Verhandlungen nur um der Verhandlung willen sind aber ein gefährliches Spiel. Ein Spiel, für das Menschen mit dem Leben bezahlen. Die ersten Opfer gab es beim jüngsten Anschlag in Westjordanland, noch bevor die Gespräche überhaupt angefangen haben.Israelis und Palästinenser sind mit eigener Agenda, eigenem Vermittler und eigenem Ziel vor Augen nach Washington gereist. Die Unterschiede könnten dabei kaum größer sein. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas will über Grenzen verhandeln, über Jerusalem und die Zukunft der Flüchtlinge, während Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vage von einem Wirtschaftsfrieden redet, mehr Kooperation und Handel. Schon am 26. September, wenn der auf zehn Monate angelegte Baustopp in den israelischen Siedlungen endet, könnten die Verhandlungen wieder platzen. Die fehlende Einigung über Neubauten im Westjordanland und in Jerusalem hängt wie ein Damoklesschwert über dem Verhandlungstisch.Es bleibt daher fraglich, welche politischen Interessen hinter den US-amerikanischen Anstrengungen und dem Zutun des Nahostquartetts (also auch der Europäer, der Uno und Russlands) stecken, jetzt Verhandlungen zu starten. Dass die Bedingungen für einen Dialog nicht reif sind, ist allzu offensichtlich. Israels Regierungschef Netanjahu verweigert den Baustopp in den Siedlungen, die Palästinenser ihrerseits sind untereinander zerstritten. Im günstigsten Fall wäre ein Teilfrieden machbar, der den Gazastreifen vorübergehend außen vor lässt, wo der Einfluss von Abbas endet und die radikale Hamas regiert. Eine Option, die die Palästinenser stets ablehnten.Im Grunde handelt, wer unter diesen Bedingungen die beiden Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zwingt, verantwortungslos und selbstherrlich. Das Nahostquartett rechnet mit einer Lösung innerhalb eines Jahres, der US-Sondergesandte George Mitchell spricht gar von einem Frieden bis Ende 2010. Man fragt sich, woher der Optimismus eines Vermittlers rührt, der in den vergangenen Wochen seiner Pendeldiplomatie beide Seiten nicht einen Schritt näher bringen konnte. Wer falsche Hoffnungen schürt, wird Enttäuschung ernten. Gerade zehn Jahre ist es her, dass das Scheitern von Camp David, wo eine Friedenslösung so nah wie nie zuvor erschien, zu schrecklichem Terror und militärischer Gewalt führte.

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