Gefährliche Diskussion

Die Eurozone ist eine Schicksalsgemeinschaft. Doch statt sich auf die Solidarität innerhalb der Union zu besinnen, sollen ungeliebte Kinder aus dem Nest gestoßen werden. Die angebliche Aussage Angela Merkels, man könne inzwischen auch gut ohne Griechenland auskommen, ist gefährlich.

In einer Zeit, in der in vielen Ländern Europas die Stimmen der Nationalisten lauter werden, steht längst viel mehr auf dem Spiel als die Standfestigkeit der Eurozone im Falle eines "Grexit".

Mit dem Rettungsmechanismus ESM und der Bankenunion hat die Eurozone zwar ein starkes Sicherheitsnetz. Außerdem haben Irland und Portugal ihre Krisen weitgehend gemeistert. Trotzdem muss die Eurozone verheerende Folgen eines Austritts Griechenlands fürchten. Wenn Europas angeschlagene Wirtschaft endlich wieder in Schwung kommen soll, muss Jean-Claude Junckers Investitionsprogramm Erfolg haben. Die dafür nötigen Investoren würden durch eine Verkleinerung der Eurozone jedoch abgeschreckt.

Vor allem aber würde ein "Grexit" den Anti-Europäern nützen. In Spanien, wo die Wirtschaft immer noch schwach ist und die antiliberale Partei Podemos regen Zulauf erfährt. In Frankreich, wo Marine Le Pen gegen Brüssel hetzt; in den Niederlanden, wo die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders stärkste Kraft ist. Und die antieuropäische UKIP unter Nigel Farage könnte die Wahlen in Großbritannien gewinnen. Schon jetzt spielt sich der Linkspopulist Alexis Tsipras , der das griechische Bündnis Syriza anführt, als "Vorreiter" in Europa auf. Als glühendes Beispiel, dem andere folgen sollen: Weg vom Sparkurs, hin zum Schuldenerlass .

Merkels Einschätzung kann aber auch als Warnung an die Hellenen verstanden werden. Schließlich drohen die ersten Früchte, die sich in Griechenland aufgrund des Spar- und Reformkurses zeigen, durch ein Verlassen der Eurozone wieder zerstört zu werden. Ohne Hilfen aus Europa und vom Internationalen Währungsfonds kann Athen seine Schulden nicht bezahlen. Diese würden mit einer Rückkehr zur Drachme für die Griechen noch teurer werden. Und auf einen radikalen Schuldenerlass werden sich die Geldgeber gewiss nicht einlassen. Am Ende würde Griechenlands Wohl und Wehe noch mehr als jetzt von Europa abhängen, also genau das Gegenteil von dem eintreffen, was Tsipras den Griechen verspricht.

Ein Ausstieg oder gar Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone kann und darf daher keine Lösung sein - zumal beide Szenarien die Union in eine schwierige rechtliche Lage bringen würden. Denn ein Ausstieg ist vertraglich nicht vorgesehen, lediglich der Austritt aus der gesamten EU. Das aber wäre ein fataler Schritt, der die Gemeinschaft in ihre schlimmste Identitätskrise stürzen könnte.

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