Gaucks Mission

Im Amt des Bundespräsidenten könnte man es sich auch bequemer machen. Man hält ab und an eine als wichtig angekündigte Rede und unternimmt Reisen, die historisch wie politisch wenig herausfordernd sind.

Joachim Gauck macht es anders: Er schont sich nicht. Der Bundespräsident geht dorthin, wo es unbequem werden kann. Es zieht ihn zu den Stätten, wo Deutsche während des Zweiten Weltkrieges gewütet haben, um dort um Vergebung zu bitten; er reist in die Länder, zu denen die Bundesrepublik eine besondere Beziehung hat - im Guten wie im Schlechten. Sucht man nach fast zwei Jahren im Amt eine Mission des Bundespräsidenten, dann ist es die: Versöhnen und ermutigen.

Es ist zugleich ein schmaler Grat, auf dem Gauck da wandelt. Er muss wie jetzt in Griechenland angemessene Worte finden, ohne dabei den Eindruck zu hinterlassen, er könnte über das Wort hinaus operativ und politisch etwas bewirken. Wie kompliziert das ist, zeigt der Konflikt um die Reparationen, der bei Gaucks Reise nach Athen unerwartet heftig zu Tage getreten ist. Aber dort die böse Kanzlerin und ihr Finanzminister, hier der gute deutsche Präsident, diese Rolle steht Gauck nicht zu. Das weiß er inzwischen. Und das hat er in der Frage der Wiedergutmachung auch beherzigt.

Gauck hat zweifellos hinzu gelernt. Kurz nach seinem Amtsantritt sorgte er noch für Verwirrung, als er bei seiner Israelreise Merkels Versprechen in Frage stellte, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson. Er musste damals kleinlaut zurückrudern. Seitdem ist dem Präsidenten klar: Er ist kein Neben-Außenminister, er kann Impulse setzen, aber politisch nicht viel wagen. Zwischen ihm und der Bundesregierung darf nicht mehr als das berühmte Blatt Papier passen. Wenn überhaupt. Das zwingt Gauck förmlich dazu, vor allem moralisch zu argumentieren - und zu sein. Allerdings kann das keiner so eindringlich wie Gauck. Manchmal sogar penetrant. Er ist gleichwohl ehrlich und authentisch dabei, wie er an Orten der NS-Gräuel in Tschechien, Italien, Frankreich und jetzt Griechenland gezeigt hat.

Gauck muss freilich aufpassen, dass seine Vorsicht nicht Überhand gewinnt. Ein allzu sehr geschliffener Präsident wird es irgendwann schwer haben, sich Gehör zu verschaffen. Zum Konflikt um die Ukraine hat er sich noch nicht geäußert, obwohl ein paar präsidiale Sätze dazu schon angebracht wären. In Griechenland hätte er zudem ein Zeichen setzen können, wenn er sich nicht nur mit Intellektuellen oder Existenzgründern getroffen hätte, sondern auch mit Menschen, die von der Krise extrem hart betroffen sind. Der Präsident hat sich auf seine Europarede beschränkt, um Solidarität mit den Griechen zu zeigen. Für viele in Griechenland dürfte das zu wenig gewesen sein.

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