Führungskultur bringt Erfolg

Der Abgas-Skandal von Volkswagen hat die ganze Republik aufgeschreckt. Nicht nur die Verfehlungen an sich lösten fassungsloses Entsetzen aus. Fast noch schlimmer wirkte die Tatsache, dass damit zugleich das Ansehen der Deutschen weltweit nachhaltig beschädigt wurde.

Jener Nation, die scheinbar alles dafür geben würde, um Spitzentechnologie "Made in Germany" zu garantieren. Denn dauerhaftes Wirtschaftswachstum gilt vielen Bundesbürgern als erstrebenswert, weil sie darin eine unabdingbare Voraussetzung zur Erhöhung des Wohlstandes sehen.

Das Beispiel Volkswagen hat eindeutig gezeigt, dass diese Art der Betrachtung falsch ist und zu nichts führt. Mehr noch: Wer permanentes Wachstum zum unausgesprochenen Gesetz macht, der fördert das Versagen, wie es bei VW stattgefunden hat. Stetige Zuwachsraten lassen sich weder garantieren noch erzwingen. Zwingend - sowohl für den Erfolg eines Unternehmens als auch für mehr Wohlstand - ist vielmehr das konsequente Beachten von Werten als wichtigste Voraussetzung.

Dazu gehört eine gelebte positive Führungskultur. Sie setzt unter anderem die Einhaltung von Respekt und Anstand gegenüber jedem Mitarbeiter voraus. Wie weit Volkswagen in dieser Frage abgesunken ist, zeigte sich alleine daran, dass selbst Ingenieure und Führungskräfte Angst hatten, ihrem ehemaligen Chef Martin Winterkorn die Wahrheit zu sagen - weil dieser als Choleriker galt, der seine eigenen Führungskräfte nach Lust und Laune sogar in der Öffentlichkeit "zusammenfaltete". Der Choleriker ist weg, doch der Schaden für das Unternehmen und seine Mitarbeiter bleibt. Es ist traurig genug, dass der neue VW-Chef Matthias Müller gestern erst einmal öffentlich klarstellen musste: "Wir brauchen keine Ja-Sager." Eine Selbstverständlichkeit. Zur gelebten Führungskultur gehört nämlich auch der Widerspruch, die Achtung vor dem besten Argument, das nicht unbedingt immer der Vorgesetzte haben muss. Dieses Verhalten setzt aber starke Chefs voraus, die bewusst starke, meinungsfreudige Mitarbeiter um sich haben wollen. Auch dieser Wert ist in vielen Betrieben abhanden gekommen.

Volkswagen, wie die Gesellschaft insgesamt, muss zudem lernen, Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Auch in einer Leistungsgesellschaft müssen sie erfüllbar bleiben. Die Vorgabe der VW-Führung, unbedingt zum weltweit erfolgreichsten Autobauer aufzusteigen mit ständig wachsenden Verkaufszahlen, hat die ganze Misere ja erst verursacht. VW hat jetzt die Chance, auch mit Hilfe seiner stark ausgeprägten Mitbestimmung und mit neuen Vorständen wie dem saarländischen Stahl-Manager Karlheinz Blessing eine Führungskultur zu entwickeln, die weltweit wieder ein positives Beispiel sein könnte für "Made in Germany".

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